Ein Ruderfest in Frankreich

Wenn sich dreieinhalbtausend Ruderer an einem Ort treffen, dann ist klar, das kann nur die World Rowing Masters Regatta sein. Dieses Ruderevent, veranstaltet vom Weltruderverband FISA, ist jedes Jahr nach dem Head oft he Charles in Boston die weltweit größte Ruderregatta. Dieses Jahr traf man sich vor Wochenfrist im französischen Libourne nahe Bordeaux. Der Ruderclub Nürtingen (RCN) war mit zwölf Ruderathletinnen und –athleten im Alter von 49 bis 62 Jahren am Start. So viele wie noch nie.

Über fünf Tage gingen an die 900 Rennen im 3-Minuten-Takt über die Bahn, ohne Pausen, eine beeindruckende und sehr gute Organisation, im Marathonschichtbetrieb. Das bot den Rahmen für echten Spitzensport auf internationalem Niveau. Kenner der Ruderszene waren sich dabei einig, dass in den letzten Jahren in der Breite der Teilnehmer mehr und besser trainiert wurde, die Wettkämpfe schneller geworden sind. Dieses Jahr fielen vor allem Großbritannien, Frankreich und Irland mit sehr, sehr starken Mannschaften auf.

Aber auch die Mastersmannschaft des RCN war gut vorbereitet nach Frankreich gefahren. Aufgrund der hervorragenden Leistungen auf den Deutschen Mastersmeisterschaften hoffte man aus Nürtinger Sicht vor allem auf einen tollen Wettkampf von Christian Bartels, Gisbert Zahn, Albrecht Rosenfeld und Andreas Rieger im Vierer ohne der Altersklasse D, d.h. der durchschnittlich 50-Jährigen. Und so lagen am Samstagnachmittag, bei sonnigen südfranzösischen Temperaturen, diese vier Ruderer vom RCN zusammen mit 33 weiteren Booten an der 1000m-Marke vor der Startanlage, bereit um in fünf Läufen auf acht Bahnen ihre Besten zu ermitteln. Allein mit sieben Vierern am Start zu liegen, war für die Ruderer ein berauschendes Erlebnis. Und es hörte sich noch großartiger an, als der Starter die Vierer abfragte: Great Britain ready, USA ready, Switzerland ready, Germany one ready, Spain ready, Germany two ready, France ready. Nach Sekunden der Stille sprang die Startanlage auf grün und mit dem „Go“ des Startes ging es auf die 1000m Renndistanz. Auf fünf Startschläge folgten 20 Schläge voller Kraft und maximaler Schlagfrequenz. Danach der Übergang, Schlagfrequenz oben halten, die 250m Marke, weiter und weiter, über den Druck zum gemeinsamen Schub. Das Nürtinger Boot um Schlagmann Andreas Rieger war zu diesem Zeitpunkt bereits leicht in Führung. Wohlwissend, dass sich das Feld an der 500m-Marke strukturiert, war es wichtig, dass die Vier hier nochmal nachlegen konnten. Die Crew vom RCN setzte alles auf eine Karte, 750 m waren gefahren, Konzentration und Geschlossenheit, ab in den Endspurt. An diesem Tag funktionierte alles wie am Schnürchen und der Einsatz hatte sich gelohnt - der Vierer vom RCN flog als erstes Boot über die Ziellinie und durfte jubeln. Sie hatten es geschafft, Sieger der dritten Abteilung, eine gute Länge vor dem zweiten deutschen Boot und der Mannschaft aus Spanien. Ein großartiger Erfolg für diesen Vierer und für den RCN.

Aber auch im Einer waren die Nürtinger Mastersruderer überaus erfolgreich. Allen voran Richard McDonough, der als ältester Nürtinger Athlet mit 62 Jahren sein Einer-Rennen in der Altersklasse E gewinnen konnte. Sein härtester Konkurrent kam aus Großbritannien und verlangte ihm vom Start an alles ab. Vor allem auf dem zweiten 500m-Abschnitt kam der Brite immer näher an den führenden Nürtinger Ruderer heran. Doch durch einen starken Endspurt hielt McDonough am Ende den Vorsprung von sieben Zehntelsekunden und sicherte sich den Sieg. Ebenso zeigte Martin Fouqué im Einer der Altersklasse D eine starke Leistung. Nach gutem Start waren fünf der sieben Boote bereits bei der 500m-Marke distanziert, als Einziger konnte der Nürtinger dem führenden Boot aus Italien folgen. Nach einem tollen Rennen am Ende der 1000m-Strecke blieb es bei dieser Reihenfolge, Fouqué sicherte sich den zweiten Platz hinter Italien und vor dem Boot aus Uruguay.

Ebenso starke Leistungen zeigte der RCN in verschiedenen Zweiern. So gelang es Gisbert Zahn und Albrecht Rosenfeld neben ihrem Triumph im Großboot auch im Zweier ohne Steuermann der Altersklasse E, d.h. der 55-Jährigen auf den zweiten Platz zu rudern. Auch die Frauen des RC Nürtingen, im Doppelzweier der Altersklasse C (mindestens 43 Jahre) am Start, zeigten ein famoses Rennen. Karin Hirning und Sylvie Aßmann erkämpften sich den dritten Platz hinter den Booten aus Dänemark und Kanada. Diese Platzierung erreichten auch Volker Wintergerst und Peter Heszler im Doppelzweier, Altersklasse D, unbeeindruckt der Tatsache, dass die beiden vorher noch nie an einer solchen internationalen Ruderregatta teilgenommen hatten.

Aber auch in den Großbooten waren die Nürtinger erfolgreich. So sicherten sich Wolfram Unold und Andreas Rieger zusammen mit zwei Ruderern aus dem Rowing Club Riverside in Bosten (USA) im Vierer ohne den dritten Platz.

Weitere Höhepunkt aus Nürtinger Sicht bildeten die Achterrennen. Nachdem bereits Volker Wintergerst, Andreas Keller und Peter Heszler in der Altersklasse D in verschiedenen Renngemeinschaften gestartet waren, lag am dritten Regattatag erstmals in der Historie des Ruderclub Nürtingen ein reiner Vereinsachter am Start. Nach ihrem Sieg bei den Landesmeisterschaften starteten Andreas Keller, Volker Wintergerst, Peter Heszler, Wolfram Unold, Martin Fouqué, Gisbert Zahn, Albrecht Rosenfeld, Andreas Keller mit Steuerfrau Merit Linder in der Altersklasse C. Da es nur wenige Vereine gibt, die eine leistungsstarke und vielköpfige Mastersabteilung haben, starteten die neun Nürtinger gegen vier internationale Renngemeinschaften sowie einem weiteres Vereinsboot aus Frankreich. Ein sehr böiger Seitenwind sorgte bereits am Start dafür, dass die Boote kaum in ihrer Bahn blieben; so auch der Nürtinger Achter. Unter den Anweisungen ihrer Steuerfrau Merit Linder und unter Einsatz aller Kräfte kämpfte sich die Achtercrew nach einem missratenen Start zurück ins Feld und musste sich am Ende mit einem undankbaren vierten Platz begnügen. Trotz der tollen Moral hatten sich alle etwas mehr erhofft. Aber vielleicht sind es auch diese noch unerreichten Ziele, die dafür sorgen, dass auch in den kommenden Jahren die Mastersruderinnen und -ruderer vom RCN an internationalen Wettkämpfen wieder starten werden. Und das wiederum passt zur Philosophie dieser FISA-Veranstaltung, die ein offenes, internationales Fest des Rudersports ist. Es gibt viele Regattatypen im Rudersport, national wie international, die weniger Zukunft als Vergangenheit zu haben scheinen. Die World Rowing Mastersregatta ist im Gegensatz dazu nachhaltig auf einem Wachstumspfad. Und die Masters im RCN freuen sich schon auf die Veranstaltungen der kommenden Jahren.

Der Master-Vierer ohne Steuermann des Ruderclub Nürtingen holte sich in einem starken Rennen einen klaren Sieg auf der World Master Rowing Regatta im französischen Libourne.
Andreas Rieger, Albrecht Rosenfeld, Gisbert Zahn und Christian Bartels landeten einen klaren Start-Ziel-Sieg, für Zahn nach 2009 und 2013 bereits der dritte Sieg in dieser Bootsklasse.

19.09.2022 || Bericht: Martin Fougué || Foto: meinruderbild.de

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