Erinnerungen ab 1990
Anfang 1990 zog ich berufsbedingt nach Nürtingen.
An einem Spätnachmittag spazierte ich zum Bootshaus des RCN, um mich ein wenig umzusehen. Ich wollte feststellen, ob ich dort eine neue rudersportliche Heimat finden könnte. Einige ältere Damen und Herren legten mit ihrem Gig-Vierer - von einer Trainingsfahrt kommend – an. Das Aufräumen des Bootes wurde von großem Palaver und Geschimpfe begleitet. Eigentlich waren dies nur ein Herr und eine Dame. Wie sich bald herausstellte: ein Ehepaar. Nachdem dann endlich alles wieder an seinem Platz war, gingen sie an die Seite des Bootshauses und rauchten eine Zigarette. Die Ehefrau erzählte mir: „Wenn einer von uns beiden stirbt“, sie sah dabei zu ihrem Mann, „ziehe ich an die Ostsee.“
Inzwischen (2017) sind sie beide verstorben.
Einige Tage später sah ich bei der Anfängerausbildung zu. Viele Jugendliche und Kinder wollten alle gleichzeitig rudern, möglichst mit ihren Freunden oder Freundinnen in einem Boot. Ihre Wünsche trugen sie mit viel Gerede und Geschrei alle gleichzeitig vor; also ein großes Gewusel. Mittendrin ein Übungsleiter, der mit großer Ruhe und Gelassenheit die Einteilungen der Gig-Vierer vornahm. Jeder und jede bekam von ihm eine genaue persönliche, freundliche Ansage. Und so beruhigte sich alles und alle konnten zufrieden das Rudern erlernen. Ich danke Siegfried Fouqué für diesen meinen zweiten Eindruck vom Ruderclub Nürtingen.
Mit dem Wintertraining 1990 begann ich mein Amt als Trainer.
Meine Trainerausbildung absolvierte ich in der Rudergesellschaft München von 1972 bei Werner Eckert. Da dieser auch internationaler Schiedsrichter war, kannte er natürlich auch den RCN Schiedsrichter Werner Rapp. So hatten sich schon vor meiner Ankunft in Nürtingen verschiedene Informationen und Gerüchte herumgesprochen.
Die erste Regatta auswärts für einen Anfängervierer im Herbst: Das Samstagsrennen schlossen sie zwar nicht mit einem Sieg ab, aber der Trainer und ich als Referent Leistungssport waren mit der Leistung unter den Umständen des ersten Rennens, aufgeregter Eltern und anderer Verwandter zufrieden. Wir sagten, sie sollen das Boot auf den Hänger laden und festbinden. Anschließend noch die Skulls aufräumen und dann könnten sie duschen gehen. Inzwischen wanderten wir Verantwortlichen zum Ziel und Regattabüro um die Sonntagsrennen vorzubereiten. Später stieß die Vierermannschaft zu uns und berichteten freudestrahlend, dass das Boot abgeriggert und verladen sei. Verwundert fragte ich: „Was ist mit dem Rennen morgen am Sonntag?“ – „Aber du hast doch gesagt, das Boot auf den Hänger laden und festbinden!“, war die entrüstete Antwort.
Merke: Ein Boot kann während der Regatta auch mit Auslegern auf einen Anhänger verladen und angebunden werden. So kann jeder immer wieder dazulernen.
U 23 deutsche Meisterschaften (früher Eichkranzrennen genannt) fanden in Berlin-Grünau statt. Der RCN hatte einen Zweier ohne Steuermann am Start, mit Götz Mayer und Andreas Rieger. Über Vorlauf und Hoffnungslauf qualifizierten sich die Ruderer für den Endlauf am Sonntag. Nach einem sensationellen Rennen belegten sie den für alle überraschenden zweiten Platz. Bei der Siegerehrung wurden unsere beiden Ruderer gefragt, wo denn eigentlich in Deutschland Nürtingen liegt und auf welchem Gewässer man da rudern könnte?
Die favorisierte Mannschaft aus München belegte den für sie enttäuschenden vierten Platz. Anschließend sprach der Münchner Trainer, den ich persönlich kannte, kein Wort mehr mit mir.
Langstreckenregatta in Erlangen: Ein Ruderer meinte kurz vor dem aufs Wassergehen, dass er mit dem Steuerbordskull nicht so gut aus dem Wasser käme. Als er vom Warmlaufen zurückkam, sagte ich ihm, dass ich den Winkel der Dolle um ein Grad verändert hätte. (was ich aber nicht getan hatte, weil ich die Einstellung für richtig hielt.) Nach dem Rennen mit dem er und ich sehr zufrieden waren, bedankte er sich für die Hilfe vor dem Rennen. Also alle zufrieden!
Oktober 2017 // Bericht: Hans-Christoph Thielemann