Ruder-Event „Suursoudut“ in Sulkava (Finnland) mit Beteiligung aus Nürtingen

Wie im Vorjahr machte sich ein kleines Grüppchen Mitglieder des Ruderclubs Nürtingen der Abteilung Breitensport auf den Weg nach Finnland.
Dort findet jährlich auf dem Saimaasee ein Großereignis statt, dass sogar Ruderer aus fernen Ländern anlockt.

Weil dieses Jahr nur zwei Ruderer aus Nürtingen (davon ein Gastruderer) an der zweitägigen Inselumrundung im Kirchboot teilnehmen wollten, bzw. konnten (2016 war man noch zu fünft), hatte man sich auf die Ruderbörse verlassen. Wie sich herausstellte ging das sehr unproblematisch und das gefundene Boot war mit sehr netten und rudertechnisch engagierten Finnen besetzt.
Das bedeutete, dass mit konstant hoher Schlagzahl 32 gerudert wurde! Gut, dass beim Retkisoutu (Wanderrudern) die obligatorische Kaffeepause nach ca. zwei Stunden ein bißchen Verschnaufpause verschafft. Und kein Wunder, dass sich dieses engagierte Boot der "Kivenappan Soutajat", welches trotz der deutschen Unterstützung nur mit zwölf anstelle der möglichen vierzehn Ruderer besetzt war, an zweiter Stelle im Tagesziel befand.

Da es sich beim Wanderrudern ohnehin nicht um einen Wettbewerb handelt, bestand der "Preis" für die frühe Ankunft lediglich in einem früheren Saunagang. Dafür war dieser aber damit verbunden, das Schauspiel eines finnischen Monteurs im Overall bewundern zu dürfen, der sich von 16 nackten Männern und 90 Grad nicht abhalten ließ, eben noch kurz über Kopf ein paar Schrauben in die Saunabänke zu drehen.
Die ungewöhnlich kalte Witterung bei 14 Grad und steifem Wind dämpfte die normalerweise heiße Volksfeststimmung am Zeltplatz, so dass gern auf das Ausweichsquartier der Verwandtschaft zurückgegriffen wurde und statt auf dem Zeltplatz im warmen Mökki (Sommerblockhaus) übernachtet wurde.

Am nächsten Tag wurde das Wetter besser, es blieb aber bei kühlen Windverhältnissen. Sich warmrudern und dann an der Kaffepause das Tanzbein schwingen war für die Finnen offensichtlich normal. Tatsächlich machte auch der zweite Tag allen riesigen Spaß. Das animierte die Steuerfrau im Ziel, dem Ruderstadion in Sulkava, eine Extrarunde zu steuern und so den insgesamt 70 Kilometern noch ein paar Meter mehr anzuhängen.
Die mitrudernde Bootseignerin erwies sich als Glückfall und bot freundlich an, die Organisation eines Bootes fürs nächste Jahr zu übernehmen! Mal sehen, ob die Gruppe der Nordland-Enthusiasten anwächst.

Am Tag nach dem Wanderrudern stand allerdings noch eine Bewährungsprobe für zwei weitere Breitensportler aus Nürtingen an. Die "wahre" Herausforderung am Sulkava Suursoudut sind nämlich die am Stück gefahrenen Distanzrennen von 60 km. Dabei ist der Start unter die Brücke der Halbinsel gelegt und damit die Strecke im Verhältnis zu den Wanderruderern um 10 Kilometern verkürzt. Allerdings sind auch keine organisierten Kaffeepausen vorgesehen. Je nach Wetterverhältnissen und Bootstyp wird die Strecke dann in einer Zeit zwischen knapp 4 (Kirchboot) und bis zu knapp 12 Stunden (Doppelzweier der über 70-Jährigen) bewältigt. Obwohl so ein Rennen nur im austrainierten Zustand zu bewältigen ist, schreckte das auch 11(!) über 70-jährige nicht von der Teilnahme ab.

Die Herausforderung im Gegensatz zum Wanderrudern kommentierte der Streckenordner mit den Worten:"It's another world" (es ist eine andere Welt).
Das sollten Neffe und Onkel, die seit ca. 10 Jahren im Breitensport Nürtingen rudern, nur zu bald merken. So lassen sich zwar in unserem Heimatfluss ähnliche Distanzen üben, nicht jedoch die Wind- und Wetterverhältnisse. Bei solchen Bedingungen werden für die empfindlichen Rennboote in Nürtingen nämlich Ruderverbote ausgesprochen.
Allerdings sind die finnischen traditionellen Holzruderboote, mit denen der Wettbewerb ausgetragen wird auch um einiges seegängiger, als die "hochgezüchteten" modernen Nachfolger.

Der Start der Zweier, sowohl der mit doppelten Ruderplätzen, als auch die Paddel-Ruderkombination, bei der sich jeweils während der Fahrt abgelöst wird, fand zeitverzögert eine Viertelstunde nach den Einern statt.
Bei inzwischen auf 18 Grad angestiegenen Temperaturen und Sonnenschein versuchten alle eine günstige Startposition auf dem an dieser Stelle ca. 200 Meter breiten Saimaasee einzunehmen. Das ist wichtig, um nicht schon in der ersten Streckenbiegung im Stau zu stecken. Insgesamt waren ca. 200 Kleinboote am Start. Viele der Teilnehmer konnten dabei auf die Erfahrung aus zehn oder mehr Starts zurückgreifen und entsprechend professionell sah es auch aus. An den Körper geklebte Trinkschläuche als Verbindung zu Wasserbeuteln waren in der Überzahl. Die beeindruckende Zuschauerkulisse ließ die Spannung steigen und es gab Gänsehautfeeling.

Dann fiel der Startschuss auch für die Zweier und wir waren mittendrin. Tatsächlich gelang es uns die erste Biegung störungsfrei zu passieren und freies Ruderwasser zu erreichen. Erstaunlich war es, welche Wellenberge die Kleinboote selber erzeugten. Die Bauweise der Boote ist zwar leichtgängig, erzeugt aber eine erhebliche Wasserverdrängung.

Die ersten 15 km liefen sehr glatt und wir „sammelten“ etliche der langsameren Einer ein, bis auch für uns die ersehnte erste kurze Trinkpause anstand. Bei Kilometer 20 gab es allerdings einen Vorgeschmack darauf, wie es auch aussehen konnte. In der Inselkurve" und der dort weiten, offenen Wasserfläche entwickelten sich hohe Wellen. Die sorgen bei parallel zum Boot verlaufender Richtung für ordentlich Bewegung und anspruchsvolles Rudern.
Leider behielt der finnische Streckenposten auch Recht. Der angekündigte Gegenwind für die zweite Streckenhälfte stellte sich pünktlich ein und das Kaltgebläse auf die verspannte Rückenmuskulatur wirkte alles andere als belebend.

Hätte unser Pausenplätzchen "kurz" vor der Halbzeitboje bei Kilometer 26 das Ziel bedeutet, wären wir noch lächelnd aus dem Boot gestiegen. Jetzt mussten wir dem inneren Schweinehund klar machen, dass weitere 30 km bei bereits leerem Akku heute dazugehörten.

Bei Muskelkrämpfen und Konzentration auf das Durchsteuern der S-Kurven neben „Konkurrenz“ und Kirchbooten blieb der Genuss der schönen Inselpassagen auch etwas durchwachsen. Das war letztes Jahr im gesteuerten Kirchboot doch entspannter!

Dafür kamen wir danach an eine breite Stelle mit Seegang schräg von vorne, der eine Höhe erreichte, bei der wir befürchten mussten Wasser überzuholen. Offenbar gab es auch mindestens ein Boot, das entweder dank schwerer Besatzung oder anderer Bauweise tatsächlich noch mehr Probleme hatte. Dafür hatten sie allerdings im Gegensatz zu uns eine Lenzpumpe an Bord und setzte diese auch ein.

Anschließend konnten wir das Schauspiel eines eingespielten "Vuorosoutu"-Bootes genießen. Bei diesem Bootstyp wechselt sich die aus zwei Leuten bestehende Besatzung am Ruderplatz ab, während der jeweils "pausierende" das Boot mit einem Langpaddel unterstützt.

Das uns überholende Boot hatte einen Wechselrhytmus von nur ca. 500 Metern, nach denen die beiden Ruderer mit hohem Tempo aneinander vorbei im Boot die Plätze tauschten um nahezu ohne Fahrtverlust weiter zu "Ruder-paddeln". Dabei kann der Paddler bei geschicktem Timing den Geschwindigkeitsverlust des Bootes beim Ausheben und vorrollen des Ruderpartners erheblich reduzieren, so dass diese Boote annähernd so schnell, wie die mit zwei Skullpaaren ausgestatten Boote des "Parisoutuvene"-Bootstyps fahren.

Welchen Widrigkeiten wiederum ein Einer ausgesetzt ist, der mit einem 5-Zentimeter-Fahrrad-Rückspiegel navigiert, konnten wir dann die nächsten 10 Kilometer bei einem "hartnäckigen" Mitstreiter beobachten.

Links und rechts ließen wir jetzt schweren Herzens die schönsten Badestrände in idyllischer Lage liegen und "freuten" uns auf die letzten 10 Kilometer.

Der Wind blieb gnädig und wir stellten uns mental auf ein energiesparendes Finale mit einem letzten „Showsprint“ ein. Was aber macht man, bzw. was machen zwei Männer, wenn dann ein Frauenzweier mit hoher Schlagzahl ins Kielwasser einbiegt und ein Ruderstadion voller Finnen und auch diverser ausländischer Gäste den Zieleinlauf beobachtet?
Ist das Chauvinismus, Machismo oder Masochimus? Ich nenne es mal Sportsgeist. Jedenfalls ließen wir uns nicht mehr einholen und haben uns noch knapp vor den taffen Masters-Mädels ins Ziel gerettet. Dank der schnellen Finninnen erzielten wir so auch noch eine Zeit von knapp unter 6 Stunden (5 Stunden 58 Minuten und 50 Sekunden), die wir sonst wohl nicht mehr erreicht hätten.

Mit einem riesen Respekt vor allen den Sportlern, die diese Strecke zurückgelegt haben, beendeten wir unsere Fahrt am Stadionstrand. Ja und stolz auf uns sind wir jetzt auch! Wir haben es geschafft.

Und alle Reiseteilnehmer waren sich einig: Wir kommen wieder zum Sulkava Suursoudut!
Zur Nachahmung empfohlen.

Bericht & Bilder: Peter Maier, Christel und Max Kern, Mika Geissler

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