Hundert Jahre in Bewegung ....

Der Ruderclub Nürtingen feiert Geburtstag und blickt auf seine erfolgreiche Geschichte zurück

Der schönen Aussicht vom St.Laurentius Kirchturm und einem regen Amtmann ist die Gründung des Nürtinger Ruderclubs RCN vor hundert Jahren zu verdanken. So zumindest berichten es die Vereins-Annalen.

Der Amtmann und spätere Landrat Helmuth Maier, selbst passionierter Ruderer aus Ulm, wechselte im Mai 1921 ins Oberamt Nürtingen. Bei einer Besteigung des Turms der Stadtkirche fiel ihm der Neckar als perfektes Ruderrevier ins Auge. Da es allerdings zu seinem Leidwesen noch keinen Ruderverein in Nürtingen gab, nahm er die Sache kurzentschlossen selbst in die Hand.
Durch die Vermittlung eines Ulmer Ruderkollegen wandte sich Maier mit dem entsprechenden Vorschlag an den Nürtinger Fritz Wilhelm Künkele. "Die Initiative fand regen Widerhall", berichtete später RCN-Gründungsmitglied Kurt Reich. Und so waren dann auch bereits im September so viele Interessenten gefunden und so viel Geld gesammelt, dass das erste Boot für den erst noch zu gründenden Verein bestellt werden konnte.

Am 14. Oktober 1921 schließlich trafen sich gut 25 wassersportbegeisterte Nürtinger im Hotel Schöll, um den Ruderclub Nürtingen aus der Taufe zu heben. Amtmann Maier wurde zum ersten Vorsitzenden gewählt, Fritz Wilhelm Künkele und Hermann Schwab zu weiteren Vorständen bestimmt.
Das war der Beginn der nun hundertjährigen Geschichte des RCN, die zweifellos als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden kann.
Aus 25 Mitgliedern auf der Gründungsliste sind inzwischen fast 350 geworden. Und aus dem einen Boot aus der Lahrer Fassfabrik Frisch ist ein sehr beeindruckender Bootspark mit über 50 Exemplaren erwachsen.

Ein altes Kesselhaus der Firma Melchior auf der linken Neckarseite diente anfangs als Bootsgarage. 1934 wechselte der junge Verein die Neckarseite und zog in sein neugebautes Bootshaus um.

Mit dem neuen Domizil kam auch weiteres neues Leben in der Verein: Erstmals konnten auch Frauen Mitglied im RCN werden und bald schon bildeten sich zwei Frauen Rennmannschaften.

Während des Dritten Reiches wurden alle Sportverbände in den Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen (NSRL) eingegliedert, so auch alle Ruderverbände und -vereine. Wenig ist aus dieser Zeit an schriftlichen oder mündlich überlieferten Zeitzeugnissen über den Ruderclub bekannt. In den späteren 30er Jahren besuchten die Nürtinger Ruderer noch einige wenige Regatten, veranstalteten selbst jedoch keine. Nach dem Krieg lösten die Besatzungsmächte zunächst alle Sportvereine auf - so auch den Ruderclub Nürtingen. Doch im Frühjahr 1946 kam es bereits zur Wiedergründung, initiiert von Adolf Cast, der bis 1947 auch den Vorsitz übernahm. Im folgenden Jahr richtete der RCN die einzige Regatta in der württembergischen Besatzungszone aus - die meisten anderen Vereine waren ausgebombt.

Noch einmal zurück zu den Anfängen: An einem kalten Sonntagmorgen, dem 20. November 1921, ließen Hellmuth und Wilhelm Maier, Dr. Albert Leonhard und Hermann Schwab mit ihrem Steuermann Fritz Wilhelm Künkele ihr neues Boot, getauft auf den Namen "Neckar", zur Jungfernfahrt zu Wasser. Viele Boote sind seither den Neckar hinabgeschwommen. Der Ruderclub Nürtingen wuchs und gedieh unter seinen verschiedenen Vorsitzenden stetig. So lenkte etwa Hans Rauch-Christen, Geschäftsführer von metabo, ab 1947 für 31 Jahre die Geschicke des Vereins maßgeblich.
Während dieser Zeit, 1960, schaffte der RCN seinen ersten Rennachter an.

In diese Periode, von 1963 bis 1966, fällt auch die gründliche Renovierung und Erweiterung des Bootshauses. 1967 fiel der Startschuss zur "1. Nürtinger Kurzstreckenregatta". Im Jubiläumsjahr 2021 wird nun die 44. Auflage der Nürtinger Kurzstreckenregatta gefeiert werden.

Dem langjährigen Vorsitzenden Hans Rauch-Christen folgten Rolf Steidle, Heinz Blaschke, Volker Wintergerst und schließlich aktuell Gisbert Zahn als Vorstände des Ruderclubs.

Immer stand der Leistungssport im Mittelpunkt des Vereinsgeschehens.
So startete bereits ein Jahr nach Vereinsgründung die junge RCN-Mannschaft bei ihrer ersten Regatta einige Kilometer neckarabwärts beim Esslinger Ruderverein. Zwei Jahre später erruderte der Nürtinger "Jungmann-Gig-Vierer" in Tübingen den ersten Sieg für den RCN.

Seit dem sammelten die RCN-Sportlerinnen und Sportler ungezählte "Radaddeln", wie die Medaillen im Rudererjargon genannt werden. Dazu gehören auch ganz besondere Edelmetall-Stücke großer internationaler Wettkämpfe. So wurden etwa Nick Blankenburg und David Wollschläger 2014 Weltmeister im Junioren-Deutschlandachter. Hinzu kommen zahlreiche weitere Silber- und Bronzemedaillen auf Junioren- und U23-Weltmeisterschaften innerhalb der vergangenen zehn Jahre.
Beleg für die Kontinuität des Nürtinger Niveaus im Leistungssport ist nicht zuletzt der viermalige Titel des erfolgreichsten Vereins Baden-Württembergs bei den Landesmeisterschaften seit 2016, Zudem gabs für den RCN schon mehrfach Auszeichnungen für die beste Nachwuchsarbeit in Baden-Württemberg.

Doch nicht nur der Leistungssport entwickelte sich während der zurückliegenden hundert Jahre stetig. Auch der Breitensport im Ruderboot fand und findet immer mehr Zulauf. In den 70er Jahren erfuhr das Breitensport-Rudern im Sog der Trimm-Dich-Welle einen Startschub. Seit dem stieg auch hier das Interesse unentwegt. Heute stehen der Breitensportgruppe alleine über 15 Boote zur Verfügung - vom Einer bist zum Achter.

Weiterer, nicht mehr aus dem Verein wegzudenkender Bestandteil sind die Kooperationen mit dem Hölderlin-Gymnasium und der Bodelschwingh-Schule. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem "Högy" geht bereits auf die 80er Jahre zurück. 2013 kam die Kooperation mit der Sonderpädagogischen Bildungseinrichtung Bodelschwinghschule hinzu. Der Ruderclub beschritt mit dieser Zusammenarbeit ein für ihn ganz neues Feld des Sports. Die Begeisterung der Kinder und Jugendlichen, etwa beim jährlichen Bodelschwingh-Ergometer-Cup, an dem auch RCN-Sportler teilnehmen, bestätigt dieses Engagement immer wieder aufs Neue.

Der weiter wachsende Verein und besonders der immer größer werdende Bootspark brachten über das Jahrhundert Vereinsgeschichte hinweg auch verschiedene bauliche Schritte mit sich: Vom kleinen Kesselhäuschen der Anfangsjahre, über das erste bescheidene Bootshaus 1934, über einen Neubau zwischen 1963 bis 1966 bis hin zur nochmaligen Vergrößerung der Bootshalle Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre.
Zuletzt wagte der Verein 2010 den jüngsten großen Sprung: Mit den sprichwörtlich vereinten Kräften gelang der komplette Neubau aller Bootshallen sowie die Sanierung des restlichen Gebäudes.

Wie sehr der Ruderclub immer auch Teil des Stadtlebens war und ist, zeigt sich bei den jährlichen Regatten. Viele Nürtinger nutzen gerne die Gelegenheit, die spannenden Rennen vor der schönen Stadtkulisse live mitzuerleben.
Noch mehr gilt dies inzwischen sogar für den ebenfalls jährlich vom RCN veranstalteten Drachenboot Cup. Seit 2003 wird das Spaßrennen zwischen den jeweils 16 Mann und/oder Frau starken Teams veranstaltet. Antreten können alle, die wollen; Firmenmannschaften, Vereine, Freundeskreise. Die Fete während der Rennen und die Party danach locken inzwischen regelmäßig über tausend Begeisterte ans Neckarufer. Seit 2014 wird außerdem noch ein separater Azubi-Cup ausgefahren, bei dem Teams verschiedenster Firmen der Region an den Start gehen.

Geschichte bleibt nicht stehen, auch die des Ruderclubs nicht. Im Jubiläumsjahr geht der Blick zurück aber auch nach vorn. An Ideen und Plänen, sowohl baulicher, sportlicher aber auch ökologischer Natur mangelt es nicht. Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung sollen beim RCN nicht bloße Schlagworte sein. So gibt es auch nach hunderten Jahren des Bestehens noch viel zu tun.
Zuerst jedoch feiert sich der Ruderclub einmal selbst. Bei der traditionellen Herbstfeier am 13. November wird diesmal richtig auf den Putz gehauen und stilecht in der Stadthalle gefeiert - mit allem drum und dran!

24.07.2021 || Bericht: Kareen Keller-Kuhnle || Fotos: Andreas Keller & RCN Archiv

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