Einmaliges Erlebnis in England ...

Vierer des RC Nürtingen schied bei der weltberühmten Henley Royal Regatta gegen den späteren Sieger aus Sydney aus

„Das war der absolute Hammer.“ - „Das war ein beeindruckendes Erlebnis.“ Oliver Peikert, Dominic Imort, Nick Blankenburg und Marvin Rüdt schwärmen noch Tage danach von ihrem Start bei der weltberühmten Henley Royal Regatta. Die starken Ruderer des RC Nürtingen schafften zwar nicht den erhofften Sieg bei der traditionsreichen Veranstaltung auf der Themse, schlugen sich aber beachtlich.

Zum ersten Mal überhaupt nahm ein Vierer des RCN an dem Rennen teil. Das will was heißen, denn das traditionsreiche Ruderevent wurde bereits 1839 aus der Taufe gehoben. Es zählt neben Wimbledon (Tennismekka) und Ascot (Pferderennwoche) zu den Highlights in England. Nicht nur aus sportlicher, sondern auch aus gesellschaftlicher Sicht. Da trifft sich die High Society und feiert sich selber mehr als die Sportler. See and be seen heißt das Motto. Sehen und gesehen werden. Mehr als 100 000 Besucher säumten an den fünf Tagen die Strecke in Henley. Von der royalen Familie wurde niemand gesichtet, obwohl Königin Elizabeth II. die Schirmherrschaft innehat. Dafür ließ sich die ehemalige Regierungschefin Theresa May blicken.

Das Besondere an dieser Regatta ist nicht nur die Tradition, sondern auch der Modus. Die Ruderer treten auf der engen Strecke im Eins-gegen-Eins an, der Verlierer scheidet sofort aus. Dazu kommt, dass die Strecke anstatt der üblichen zwei Kilometer 112 Meter länger ist, Gegenströmung herrscht und keine Trennlinie die Bahnen abgrenzt. „Das war schon gewöhnungsbedürftig. Wir mussten uns erstmal auf diese schwierigen Bedingungen einstellen“, erzählt Nick Blankenburg. Er setzt Henley auf eine Ebene mit dem WM-Titel des deutschen Juniorenachters vor fünf Jahren.

Der Nürtinger Vierer qualifizierte sich durch ausgezeichnete Leistungen in dieser Saison für die königliche Regatta in England. Unter anderem holte sich das Quartett in Hamburg den Deutschen Meistertitel. Von der Hansestadt ging’s direkt nach Henley. Mit einer guten Auslosung hoffte man, bis ins Finale am Sonntag einziehen zu können. Nach zwei Eingewöhnungstagen stand die erste Herausforderung an. Die wurde mit Bravour gemeistert. Gegen das Boot der englischen Armee gab es einen ungefährdeten Sieg.

Marvin Rüdt, dessen Spitzname Johnny Rocket ist, und seine Kameraden gingen auch im zweiten Duell ab wie eine Rakete. Sie bezwangen die Mannschaft aus Amsterdam und erreichten unter den Augen ihres zufriedenen Trainers Sascha Hustoles das Viertelfinale. Dort stand die schwere Aufgabe gegen den Ruderclub aus Sydney auf dem Programm. Die vier Musketiere aus Nürtingen legten sich mächtig ins Zeug. Aber gegen die überragenden Australier hatten sie keine Chance und mussten sich am Ende um zwei Bootslängen geschlagen geben. Sydney zog weiter unbeirrt seine Bahnen und sicherte sich auch das Finale am Sonntag. Der Lohn: eine Medaille in echt Silber. Alle anderen gingen leer aus. Bei den Achtern hatte übrigens Neuseeland vor den Briten die Nase vorne. Das deutsche Flaggschiff bereitet sich zurzeit auf die WM vor und fehlte.

„Platz zwei zählt hier nichts“, weiß Dominic Imort, der mittlerweile total vom Henley-Virus befallen ist. Er hat schon sechsmal bei der prestigeträchtigen Regatta teilgenommen und möchte auch nächstes Jahr wieder im Konzert der Großen mitspielen. Seine drei Teamkollegen waren diesmal zum ersten Mal dabei und auf Anhieb begeistert. „Henley ist schon was Außergewöhnliches“, sagt Oliver Peikert, „man kann sich mit den weltbesten Ruderern messen und erlebt eine tolle Atmosphäre.“ In diesen Genuss kam auch Lars Lorch. Der RCN-Athlet startete für den Achter der Universität Harvard und musste ebenfalls im Viertelfinale die Segel streichen. Nach dem Ausscheiden gab es für die Nürtinger Clique genügend Gelegenheiten, sich unter das bunte Volk zu mischen und das spezielle Henley-Flair zu genießen.

Das Event kommt einer gigantischen Garden Party gleich und wird von den sogenannten Stewards organisiert, die in den meisten Fällen ehemalige Ruderer sind. Die Satzungen der Regatta dienten Pierre de Coubertin als Grundlage für die Organisation des Internationalen Olympischen Komitees. Für bestimmte Anlagen bei der Regatta gilt ein strenger Dresscode. Die Stewards' Enclosure hat eine strenge Kleiderordnung für Lounge-Anzüge für Männer. Frauen müssen Kleider oder Röcke tragen, deren Saum unterhalb des Knies liegt. Ihnen wird auch empfohlen, sich mit Hüten zu schmücken. Je ausgefallener und greller, desto besser. Jedem, der nicht angemessen gekleidet ist, kann der Zutritt verweigert werden. Doch diejenigen, die im Rolls Royce vorfahren, wissen schon, wie sie sich in Schale zu werfen haben.

Die Verwendung von Mobiltelefonen ist in bestimmten Bereichen untersagt. Es gibt sie also doch noch, diese von Weisheit und Vernunft geprägten Inseln der Stille auf dieser Erde. Viele VIPs aus der Upper Class wollen eben in Ruhe ihren Pimm’s No. 1 Cup genießen. Das ist ein leicht bitterer, würziger Likör auf Gin-Basis mit einem Alkoholgehalt von 25 Prozent. Er wird mit Limonade gemixt und mit Eis, Orangenschnitzen, Gurkenstücken und Pfefferminzblättern serviert. Unterhalb von Pimm’s trinkt der Besucher Ale oder Stout, oberhalb Champagner. Zum Schampus gehören natürlich Austern oder Hummer. Für manchen Schlemmer wird so das Rudern zur Nebensache.

11.07.2019 || Bericht: Horst Jenne || Fotos: hrr.co.uk

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