Elfsteden Roeimarathon 2017 – zu Sechst voll auf die Zwölfe

Der 25./26. Mai 2017 war nicht nur im Kalender Marathon-affiner Ruderer dick angestrichen: das war das Datum der 32. Auflage des „Elf-Städte-Rudermarathons“. Diese bedeutendste der zahlreichen niederländischen Langstreckenruderveranstaltungen führt weitgehend auf der Strecke des legendären Eisschnelllaufrennens über 210 km auf Kanälen, Grachten und Seen durch die 11 Städte Frieslands und zieht Sportler aller Alters- und Leistungsklassen an. Die Regatta wird als Staffelrennen in gesteuerten Gig-2x abgehalten. Neben der Hauptklasse mit 12 Sportlern pro Team gibt es für die Leute mit größerer Ruderlust die Buiten6-Kategorie (6 Sportler), während die ganz Hartgesottenen die Version Buiten3 (sogenannte Bullenklasse) wählen und die komplette Strecke mit einer Bootsbesatzung durchrudern. Insgesamt waren dieses Jahr mehr als 1100 Teilnehmer gemeldet, die sich auf 105 Teams verteilten. 13 der Teams waren deutscher Herkunft. Vom Ruderclub Nürtingen mit dabei war Matthias Auer, der in Rgm. mit Kollegen aus Bonn, Hamm und Neuwied antrat.

Schon im Rahmen des Rheinmarathons entstand im Oktober des Vorjahres die Idee, den Elfsteden Roeimarathon (ERM) ambitioniert in der Buiten6-Kategorie („Bullen-light-Klasse“) anzugehen. Die Mannschaft mit dem Pseudonym „Cool Runnings“ wurde aus zwei langjährig eingespielten Dreier-Teams zusammengesetzt, zum einen Matthias mit seinen mehrfachen Genf-Ruderkameraden Henning Osthoff (RC Hamm) und Christian Maus (Bonner RV), zum anderen das in vielen Schlachten bewährte Neuwieder Dreiergestirn Stefan Verhoeven, Markus Müller und Michael Ehrle. Als Landteam – die Mädels und Jungs für Alles außerhalb des Ruderboots mit den wichtigsten Verantwortlichkeiten Fahrdienst und Landwechsel-Hilfe – konnten Marion Weiler und Phillip Greyff aus Köln gewonnen werden. Das Boot „Leipzig“ und ein Satz Fat Blades wurde von der Neuwieder RG gestellt, die Innen- und Außenausstattung des Boots für die speziellen ERM-Bedürfnisse größtenteils von Stefan. Als Begleitfahrzeug diente der Kleinbus von Andreas „Watz“ Laser, der selbigen seinen Neuwieder Ruderkameraden großzügig und uneigennützig zur Verfügung stellte – einfach fantastisch!

In Ermangelung an gemeinsamem Training wurde die Europäische Rheinregatta über 100km von der Loreley nach Bonn 3 Wochen vor dem ERM als gemeinsame Übungsmöglichkeit von zumindest 5 der 6 Cool-Runnings-Ruderer (ohne Christian Maus) auserkoren. Die Trainingsfahrt im Wettkampfgewand zeigte eine gute Kompatibilität der Ruderer und Ruderstile: Team Cool Runnings gewann die Regatta mit großem Vorsprung in einer beachtlichen Zeit knapp unter der selten durchbrochenen 5-Stunden-Schallmauer. Das wirklich relevante Rennen konnte kommen…

Die Anreise nach Leeuwarden erfolgte an Christi Himmelfahrt. Bis Matthias mit dem Transport des Cannstatter 12er-Mixed-Team am frühen Abend am Campingplatz direkt neben dem veranstaltenden LRV Wetterwille eintraf, war die „Leipzig“ schon fertig präpariert und mit allerlei Sonderausstattung und Gimmicks bereit für Großes. Nach dem Pasta-Essen des Veranstalters war sogar noch Zeit zu einem spätabendlichen Wechsel-Training. Der Austausch der Ruderteams muss eingespielt und binnen 15 bis 20 Sekunden absolviert sein: Jeder Handgriff muss sitzen, um bei den insgesamt ca. 25 Wechseln während der Regatta nicht unnötig und kumulativ viel Zeit zu verlieren. Nach anfänglichen Unsicherheiten liefen die Wechsel recht schnell routiniert ab, wobei Leichtfüßigkeit und Eleganz in einem bestimmten Alter nur noch bedingt durch Üben zu erwerben sind – töröööhhh! ;-)

Der Freitag war entsprechend entspannt und konnte (nach einem Baumarktbesuch…) für letzte Ausbesserungsarbeiten, Vorbereitungen und Material-/Einstellungstests verwendet wurde, bevor es für alle 103 tatsächlich antretenden Boote zwischen 18:30 und 19:00 Uhr vom LRV Wetterwille auf dem Wasserwege zur ca. 5 km entfernten Versammlungszone im Stadtzentrum von Leeuwarden ging. Es ist jedes Mal wieder ein großartiges Bild, so viele Ruderboote auf einem Haufen vor historischer Stadtkulisse zu sehen. Mit minimaler Verspätung erfolgte um 20:01 Uhr der Startschuss. Die Boote wurden mit viel Applaus gemäß ihren Startnummern einzeln aufgerufen und in 15-Sekunden-Abständen auf die große Runde geschickt: Zunächst die Startnummern 1-43 der sogenannten Wettkampfkategorien Offen, Mixed und Damen mit den Vorjahresbesten vorneweg. Danach folgten wild durcheinander die Teams der beiden Buiten-Klassen und der „Tour-Klasse“, bei denen es häufig mehr um das Erlebnis als ums Ergebnis ging. Team Cool Runnings war aufgrund des Vorjahresresultats von Stefan als Mitglied des Buiten6-Siegerteams gesetzt und durfte deshalb mit der Startnummer 45 gegen 20:13 Uhr direkt nach den Wettkampf-Teams in See stechen. Der Combo Matthias/Henning/Christian war es vorbehalten, während der ersten 17 km-Etappe gleich reihenweise Boote weniger ambitionierter Mannschaften einzusammeln. Durch zwei bootsinterne Wechsel konnten sowohl zu lange individuelle Etappen als auch Stress an den auf der frühen Wegstrecke noch übervölkerten Wechselstellen vermieden werden. Bis Teil-Team Neuwied seine Doppeletappe (-> 1 bootsinterner Wechsel) antreten durfte, hatte sich Cool Runnings schon durch knapp 2 Drittel der vorher gestarteten Mannschaften gepflügt. An der ersten Stempelstelle in Dokkum traf man kurz nach 22:00 Uhr bereits als zehntes Boot ein, beim zweiten Landwechsel nach insgesamt 28 Ruder-km waren nur noch 7 Boote voraus. Damit waren die leichten Gegner aber auch passiert und die Auf- und Überholerei wurde deutlich zäher. Beim Durchlauf in Leeuwarden kurz vor 0:30 Uhr war man dennoch bereits auf Tuchfühlung zum drittschnellsten Männerteam und nur 3 bis 8 Minuten hinter den drei Top-Teams der stark besetzen Mixed-Klasse. Startzeit-bereinigt hatten sich die Sechs mit deutlichem Rückstand auf die 2 schnellsten Männerteams der Rgm. Aengwirden und von Gyas, aber komfortabel vor den schnellsten Mixed-Teams auf dem dritten Gesamtplatz festgesetzt. So durfte es weiter laufen in Richtung Süden nach Sloten!

Das dritte Männerteam wurde alsbald überholt, das dritte Mixed-Team ebenso; es gab schon leicht ungläubiges Staunen, als die Startnummer 45 aus der Tiefe der Nacht heranbrackerte und zum Überholen ansetzte. Bei der ersten der zwei großen Seeüberquerungen über das Slotermeer waren die Cool Runnings und die schnellsten Mixed-Teams aus Cannstatt et al. und vom RIC Amsterdam eng beisammen. Sie kamen schließlich im Morgengrauen gegen 4:15 Uhr im Minutentakt am Stempelpunkt Sloten an, inzwischen mit dem Sechserteam in Front. In Richtung Westen bis zum äußersten Routenpunkt in Stavoren, der gegen 6:30 Uhr in der Früh erreicht wurde, hielt Team Cool Runnings den Minuten-Vorsprung auf den RIC, während der Abstand auf Cannstatt und Co. deutlich ausgebaut werden konnte. Auf der kurvenreichen Strecke gen Norden entlang des Ijsselmeers bis nach Harlingen lief es richtig flott, so dass auch der RIC peu à peu zurückfiel. Nach vorne konnte in dieser Phase der Real-Abstand von etwa 10 Minuten auf Platz 2, das Männerteam von Gyas, mehr oder weniger konstant gehalten werden. Aengwirden fuhr an der Spitze hingegen ein einsames Rennen – same procedure as every year.

Nach bis dato reibungsloser Fahrt baute Matthias nach dem Stempelpunkt Harlingen dann leider einen ganz gruseligen Navigationsfehler ein: Eine vermeintliche Brückenbaustelle erwies sich bei näherer Betrachtung als Fluttor gegen das offene Meer. Öfters mal was Neues, aber in dem Fall halt gar nicht gut! Also Kommando zurück zum falschen Abzweig. Wenn man noch etwas Gutes an der unnötigen Irrfahrt finden möchte, dann, dass zwar etwas die Energie aus den Körpern wich, sich das Team aber nicht beirren ließ und v.a. keine schlechte Stimmung ob dieses Lapsus aufkam. Und dass man für die letzten harten 35 km mit viel Gegenwind und sengender Sonne nicht alleine war, denn man fand sich plötzlich Bug an Bug mit dem führenden Mixed-Team des RIC Amsterdam wider, das die Stempelstelle Harlingen 14 Minuten später passiert hatte. Die Ernte von knapp 4,5 Stunden Arbeit entlang der Westküste einfach so vernichtet zu haben, war schon extrem bitter!

Nach einer Stunde leicht bedröppelter gemeinsamer Fahrt mit dem RIC traten die Cool Runnings während der letzten 2 Stunden der Regatta jedoch nochmals ordentlich aufs Gaspedal. So wurde die Ziellinie schlussendlich 7,5 Minuten vor dem RIC passiert, die wiederum bei ihrem Sieg in der Mixed-Wertung knapp 6 Minuten Vorsprung auf die Cannstatter Rgm. ins Ziel brachten. Vorne hatten sich die Favoriten aus Aengwirden nach dem Kopf-an-Kopf-Rennen bis zur mitternächtlichen Durchfahrt in Leeuwarden kontinuierlich von Gyas absetzen können. Die Siegerzeit betrug in diesem Jahr 17:27 h, aufgrund von Wind und Hitze deutliche 28 Minuten über dem Streckenrekord aber sehr komfortable 29 Minuten vor den Zweitplatzierten. Weitere 26 Minuten zurück und 19 Minuten vor den Vierten belegte Team Cool Runnings als Sieger der Buiten6-Kategorie in einem 11-Boote-Feld einen hervorragenden dritten Gesamtrang. Die Zeit von 18:22 h bedeutete eine Verbesserung des bestehenden Buiten6-Rekords um satte 44 Minuten!

Der Rest des Tages bestand aus Siegerehrung – Essen – Schlafen – Essen (+ein bissle Trinken) – und wieder Schlafen. Die durchzechte bzw. durchruderte Nachte, in der niemand geschlafen hatte, forderte ihren Tribut. Nur Dortmund-Fan Stefan war noch voller Energie und machte mit zunehmender Pokaleuphorie die Bootsaufräumarbeiten mehr oder weniger im Alleingang – Respekt!
Wie immer war ein gemütliches Frühstück bei Sonnenschein ein würdiger Abschluss des langen NL-Wochenendes. Nach dem Packen machte man sich am späteren Morgen in die verschiedenen Ecken der Republik auf. Sportlich wie menschlich war der ERM 2017 wirklich großes Kino, das Lust auf mehr macht!

Abschließend noch mal ein herzliches Dankeschön an das geniale, unermüdliche Support-Team Marion und Phillip, an Watz für das Überlassen des Team-Fahrzeugs und die Neuwieder RG für die Unterstützung mit Top-Material. Bei solch professionellen Rahmenbedingungen lässt es sich gut rudern!

Geglückte Generalprobe des Teams Cool Runnings (-Christian) im 4x+ bei der Eurega: Deutlicher Sieg in 4:59:27 Stunden mit mehr als 18 Minuten Vorsprung.

Der unvermeidlicher Selfie mit ¾ des Teams am Steg des LRV Wetterwille: Henning, Markus, Marion, Michi, Phil und Christian.

Ebenso unvermeidlich: Das Vorher-Team-Foto am Boot unmittelbar vor dem Start im Zentrum von Leeuwarden

Das Team Matthias-Henning-Christian hatte die Ehre, um 20:13 Uhr das Rennen der Cool Runnings anzufahren. Ein bisschen Probejubeln fürs Team am Ufer kann dabei nicht schaden...

Eines von sehr wenigen Streckenbildern (bei einer Mannschaftsstärke von nur 8 sind bei den Landwechseln immer alle Teammitglieder eingespannt!): Stefan, Christian und Michi nehmen Kurs auf Hindeloopen.

7:15 Uhr, Hindeloopen, Ruhe. Eine der ganz netten Ecken der Tour lädt eigentlich zum Chillen und Entspannen ein. Team Cool Runnings hat an diesem Punkt aber noch 80 heiße Kilometer mit z.T. heftigem Gegenwind vor sich.

Matthias, Stefan und Christian war die finale Etappe durch Leeuwarden mit der Zieldurchfahrt am LRV Wetterwille vorbehalten…

…um nach getaner Arbeit vom gesamten Team in Empfang genommen zu werden.

Ehrung des Ruder-Teams Cool Runnings für den Buiten6-Sieg …

…und Teamfoto der kompletten ERM2017-Mannschaft (v.r.n.l.): Marion, Markus, Stefan, Henning, Matthias, Michael, Phillip und Christian.

Müde Krieger: Nach der Siegerehrung war i.W. Essen und Schlafen angesagt, mit fließenden Übergängen... ;-)

09.06.2017 // Bericht: Matthias Auer // Fotos: Oliver Miedler, privat

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