‚Sauter-Festival’ bei den Deutschen Meisterschaften

RCN-Ruderer holen sieben Medaillen an den Neckar

Bei den Deutschen Jahrgangsmeisterschaften holten die Junioren und U23-Sportler des Ruderclub Nürtingen ( RCN ) im achten Jahr in Folge Medaillen an den Neckar, darunter auch wieder Gold.

Auf den Spuren von Theodor Fontane wandelte keiner der Nürtinger Ruderer am vergangenen Wochenende, obwohl sich dieses angeboten hätte. Sie ruderten schließlich auf dem Beetzsee in Brandenburg an der Havel, der Gegend, wo sich der deutsche Dichter am wohlsten fühlte. Aber es standen ja die Deutschen Meisterschaften im schönen Havelland an, und keine Lesung.

Mit insgesamt zehn Junioren und zwei U23-Ruderern sowie fast allen Trainern war der RCN nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ stark vertreten.

Die Nürtinger Medaillenjagd wurde am Samstag von Pauline Sauter eröffnet. Letztes Jahr bei den Junioren noch in der offenen Gewichtsklasse am Start, wechselte sie dieses Jahr wieder zurück zu den Leichtgewichten.
Mit ihrer Partnerin aus Konstanz zeigte sie die gewohnt souveräne Vorstellung in den Vorläufen im leichten Doppelzweier und erreichte so locker das Finale. Nach den gezeigten Saisonleistungen war dort eine Medaille das klar formulierte Ziel. Es zeichnete sich auch schnell ab, dass dies gelingen würde. In einem spannenden Kampf um Gold musste sich Sauter nur dem Boot aus NRW geschlagen geben. Im leichten Doppelvierer ohne Steuerfrau war dann Revanche angesagt. Hier galt die Mannschaft um Pauline als Favorit, hatte dieses Boot auf der Ratzeburger Regatta zwei Wochen zuvor doch klar gewonnen. Es gab jedoch eine Umsetzung durch die Bundestrainerin, die noch eine alternative Besetzung für das WM-Boot testen wollte, in dem Sauter sitzen wird. So wechselten zwei Sportlerinnen die Nationalboote. Und diese Umbesetzung zeigte schnell Wirkung, leider negativ. Vom Start weg war Pauline Sauters Boot hinten dran; was die Mädels auch versuchten, sie kamen nicht mehr nach ganz vorne. Aber gut, wer zweimal Zweiter auf den Deutschen Meisterschaften wird, hat (fast) alles richtig gemacht. Pauline freute sich riesig über das zweite Silber an diesem Tag. Und ein Gutes hatte dieses Rennen auch: bei der U23-WM geht dieser deutsche Vierer in der Ratzeburg-Besetzung an den Start.

Zweiter Starter in der U23-Klasse war Tim Liebrich sowohl im Einer als auch im Doppelvierer ohne Steuermann. Zuerst stand der Einer an, den Liebrich ungewohnt defensiv anging. Vielleicht lag es aber auch an den schwierigen Wasserverhältnissen auf dem Beetzsee: der Wind hatte das Wasser zu einem ‚Acker’ gemacht, wie es im Ruderjargon heißt. Aber Liebrich ist bekannt dafür, dass er sich ins Rennen reinbeißen kann. Und das tat er. Kontinuierlich arbeitete er sich nach vorne und mit einem tollen Endspurt schob er sich noch auf den Bronze-Rang hinter dem amtierenden Vize-Weltmeister aus Gießen und einem Hannoveraner. Trainer Sascha Hustoles konnte es kaum glauben: ‚Schön, dass ich mich geirrt habe. Mehr als einen vierten Platz hätte ich niemals erwartet. Aber der Kerl überrascht mich immer wieder’.
Im Vierer war dann schon vor dem Start klar, dass Liebrich eigentlich nur um Bronze kämpfen würde, waren doch beide nationale Auswahl-Vierer mit am Start. Diese Aufgabe löste er zusammen mit seinen Bootspartnern sehr kompetent und die zweite Bronze-Medaille für Liebrich war somit auch eingetütet. Zwei RCN-SportlerInnen, vier Medaillen, so konnte es weitergehen.

Am Sonntag waren dann die Junioren gefragt, sowohl die U17- als auch die U19-Finals standen auf dem Programm. Das heißeste Eisen im RCN-Feuer war Jurek Sauter, der ‚kleine’ Bruder von Pauline. Die gesamte Saison im leichten A-Junioren Vierer ohne (17/18 Jahre) noch ungeschlagen, war sein Boot der große Favorit. Und dieses hielt dem Druck mehr als souverän stand. Mit einem unglaublichen Startspurt mit Schlagzahl 48 auf den ersten 500 Metern holte dieser Sauter-Vierer über zwei Längen Vorsprung auf die Gegner raus, eine Welt im Rudern. Danach war es nur noch Verwalten des Vorsprunges, quasi eine 1500m-Siegesfahrt ins Ziel. Klar, die erste Goldmedaille dieser Meisterschaft wurde von der RCN-Mannschaft natürlich heftig gefeiert. Und Jurek hatte noch mehr ‚Gold-Hunger’. Zusammen mit dem drittplazierten Vierer ging es dann noch im leichten Achter an den Start. Vom Papier her eine klare Sache, im Rennen dann ganz anders. Über die gesamten 2000 Meter musste dieser Achter hart kämpfen, um auch hier vor einer norddeutschen Renngemeinschaft das Gold einzufahren. Zwei Geschwister, vier Medaillen, die Sauters haben damit auch die ‚Familien-Wertung’ auf der Meisterschaft gewonnen.

Weitere Medaillen-Kandidatin war Sarah Rösch im gesteuerten Auswahl-Vierer der leichten B-Juniorinnen (15/16 Jahre) aus Baden-Württemberg. Die Frage vor dem Rennen war: Gewinnt Berlin das Gold oder das Team Ba-Wü? Es kam ganz anders. Das starke Berliner Boot beschädigte durch einen selbst verschuldeten, technischen Fehler eines der Ruderblätter. Dadurch konnten in diesem Boot nur noch drei Sportlerinnen rudern, ein hoffnungsloses Unterfangen. Somit war eigentlich der Weg frei für die Mädels um Sarah - eigentlich. Aber die Mannschaft aus Hannover nutzte die Gunst der Stunde und holte sich das Gold. Der Rösch-Vierer war anfangs zu gehemmt ins Rennen gestartet, sprang aber mit einem tollen Endspurt doch noch auf den Silberrang. Die siebte Medaille war somit im RCN-Sack.

Die Achte wollte Mattis Keller im Ba-Wü- Achter holen. Dieses Boot ist Teil des sogenannten B-Projekts des Landesruder-verbandes, das Auswahlteam für Vierer und Achter der B-Junioren. Nach starkem Vorlauf gingen alle Beteiligten optimistisch ins Finale. Auch Trainer Marc Cordes hoffte auf Edelmetall. Aber die Hamburger Crew hatte geblufft. Im Vorlauf noch klar von Kellers Achter besiegt, zeigten die Nordlichter im Finale ihr Können. Dadurch aus dem Konzept gebracht, konnte der Ba-Wü-Achter nicht an die Vorlauf-Leistung anknüpfen. Gold ging somit an Essen vor Hamburg und Berlin. Für Kellers Team blieb der undankbare vierte Platz.

Nils Weiß im Einer bei den B-Junioren ist einer der Überraschungen dieser Saison. Obwohl nicht der Größte und Stärkste, so vermag er es doch, seinen Einer sehr schnell durchs Wasser zu schieben. Das von den Trainern Max Schäfer und Philipp Nadler vorgegebene Ziel ‚A-Finale’ erkämpfte sich Weiß mit formidablen Vorlauf- bzw. Halbfinal-Rennen. Im A-Finale der besten sechs hatte er dann leider das Pech, dass die Wasserverhältnisse nicht mitspielten, sprich zu rau und wellig waren. Aber mit seinem fünften Platz war Nils Weiß sehr zufrieden, schließlich waren insgesamt 27 Einer am Start. Beide Trainer meinten unisono: ‚Vor der Saison hätten wir von dieser Platzierung nicht zu träumen gewagt. Heute hatte Nils leider etwas Pech mit den Bedingungen. Wir aus Nürtingen haben nie Wellen, können solche Bedingungen nur sehr selten trainieren’.

A-Juniorin Luisa Kaiser ging dann im Vierer ohne an den Start. Ihre Mannschaft war eine Renngemeinschaft zusammen mit Eberbach und Stuttgart. Nach etwas zähem Saisonstart haben sich diese Ruderinnen in dieser Saison stabilisiert und erruderten sich einen respektablen fünften Platz im Finale.

Außerdem konnte sich Merit Linder mit einer kurzfristig neu formierten Mannschaft im leichten A-Juniorinnen Doppelvierer einen respektablen sechsten Platz im A-Finale erkämpfen.

Eine weitere gute Platzierungen erreichten die B-Junioren Emil Rauscher und Jonas Benke im leichten Doppelzweier mit einem fünften Platz im B-Finale. Die gleiche Platzierung schaffte auch Anika Hümpfner mit ihrer Karlsruher Partnerin im B-Juniorinnen Doppelzweier.

Der RCNler Jan Haßdenteufel konnte mit seiner Leistung zufrieden sein. Das knappe Ausscheiden seines B-Junioren Vierer ohne im Hoffnungslauf zeigt sein Potential. Und er hat noch ein weiteres Jahr bei den jüngeren Junioren.

Eine wahrlich stolze Bilanz, die die RCN-Mannschaft um die Trainer Max Schäfer, Philipp Nadler, Marc Cordes und Sascha Hustoles aus Brandenburg zurückbrachten: sieben Medaillen und dazu Berufungen von Pauline Sauter und Tim Liebrich in die Nationalmannschaften für die U23-WM bzw. EM.

Tim Liebrich brüllt seine Freude heraus über die unerwartete Bronze-Medaille im Einer bei den U23-Männern.

Pauline Sauter (Zweite von rechts) bestätigte ihre WM-Nomminierung für den leichten U23-Frauen-Doppelvierer mit zwei Bronzemedaillen in diesem Boot sowie im leichten Doppelzweier.

Zweifacher Deutscher Meister bei den A-Junioren (17/18 Jahre): Jurek Sauter (zweiter von links) hatte ein goldenes Wochenende in Brandenburg a.d. Havel und gewann im leichten Vierer ohne Steuermann als auch im leichten Achter.

Sarah Rösch (Zweite von links) krönte ihre tolle Saisonleistung mit der Silbermedaille im leichten Doppelvierer mit Steuerfrau.
Fotos 1-4: meinruderbild.de

So sehen Medaillengewinner aus: Pauline Sauter, Sarah Rösch, Jurek Sauter, Tim Liebrich, (von links oben im Uhrzeigersinn) holten insgesamt sieben Medaillen auf den deutschen Jahrgangsmeisterschaften in Brandenburg a.d. Havel.

26.06.2019 || Bericht: Andreas Keller || Fotos: Andreas Keller

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