Elfsteden Roeimarathon in Friesland (NL)

„Irgendwann ging es nur noch ums Überleben“ – das waren die Worte von Patrick Plagge nach seiner ersten Teilnahme am Elfsteden Roeimarathon, dem Staffel-Ruder-Wettbewerb in gesteuerten C-Zweiern nach Vorbild des legendären niederländischen Eislauf-Events, bei dem die 11 friesischen Ortschaften mit Stadtrecht auf dem Wasserwege abgefahren werden. Patricks eindrücklichen Erfahrungen waren aber offenbar nicht negativ genug, um der Versuchung Elfstedentocht zu widerstehen und die 208km-Runde in 2016 nicht ein weiteres Mal anzugehen, wieder in der Sechser-Klasse mit einem auf 4 Positionen identischem Team. Neben Patrick waren dies Teamchef Wolfdietrich Jacobs aus Karlsruhe, Gerhard Hoffmann aus Kitzingen und Andreas Bültmann aus Bückeburg. Neu hinzu kamen Stefan Verhoeven (Kleve) und Valentin Jende (Bückeburg).

Vielfach-Teilnehmer Matthias Auer trat nach zuletzt 2 Touren in der Bullenklasse (3 Teilnehmer, welche die komplette Runde durchrudern) in diesem Jahr mal wieder im traditionellen 12er-Team an. Er war Teil des Teams „Cannstatt Boosted“, einer Mixed-Mannschaft um einen Kern aus Ruderern vom Stuttgart-Cannstatter Ruderclub mit einigen „special guests“. Die Anzahl dieser externen Gastruderer stieg Absagen-bedingt mit Nahen der Regatta, so dass zuletzt 5 Nicht-Cannstatter aus Offenbach (Sybille Roller), Bonn (Christina Ergang), Nürtingen und 2x Amsterdam (Ella van der Haar und Jenny van Dobben de Bruijn) das Cannstatter Team um Team-Gründer Ulf Hintze mit Kathleen Kirchhoff, Selma Michel, Jan Ripperger, Jörn Michel sowie den Brüdern Philipp und Victor Wess vervollständigten und für den namensgebenden extra-Boost sorgen sollten. Mit Lisa Richert, Michael Petrich, Holger Wess und Oliver Miedler konnte ein 4-köpfiges Support-Team für das Vorhaben Mixed-Sieg gewonnen werden. Dieses Vorhaben war durchaus ambitioniert, denn aufgrund der Dominanz der Renngemeinschaft Aengwirden im Vorjahr hatte eine Flucht aus der Männerklasse eingesetzt. Hierdurch war die Mixedklasse in diesem Jahr qualitativ am hochwertigsten besetzt mit 3 siegfähigen Teams, wie die Pre-Race-Recherche ergab. Es war Team Cannstatt Boosted also ein nahezu perfektes Rennen notwendig, um das hehre Ziel Klassensieg zu erreichen...

Die Anreise erfolgte am Christi Himmelfahrts-Donnerstag bei blendendem Wetter, welches das komplette Wochenende anhalten sollte. Auf der naturgeschützten Insel „Froskepolle“ beim veranstaltenden Club LRV Wetterwille Leeuwarden hatten die Karlsruher Alemannia und der ARC Rhenus Bonn beim Eintreffen der Cannstatt-Fraktion bereits ihre Zeltsiedlungen aufgebaut, an die sich Little New Cannstatt direkt anschloss. Mehr als Siedlungsgründung, Bootabladen und gemütliches Grillen war am Anreisetag dann zeitlich bzw. dämmerungsbedingt nicht mehr drin.

Am Freitag ging es nach einem ausgiebigen Frühstück direkt zur umfangreichen Präparation des Bootes, einem knallroten Wiersma-2x+ neuester Bauart mit dem verheißungsvollen Namen „Tri-Umpf“. Damit und mit einer Shopping-Tour war der Morgen auch schnell rum. Als nächstes standen Einstellungstests und Wechselübungen auf dem Programm. Mit ein bisschen Flexibilität und Entgegenkommen konnten alle 11 Ruderer mit derselben Einheitseinstellung rudern – eine große Zeitersparnis über die Strecke und eine Reduzierung etwaiger Risiken beim Verstellen insbesondere des Nächtens. Die Mannschaftswechsel – bei den 26 Etappen von Cannstatt Boosted 25 an der Zahl – stellen ein großes Zeitverlustpotential dar und, bei unsachgemäßer Ausführung, die Gefahr von Kenterungen und/oder Materialschäden. Dementsprechend wurde versucht, die Abläufe zu automatisieren und zu optimieren: 2 Leute braucht es hierfür an den Stangen zum Einfangen und Heranziehen des mit ordentlich Dampf heranfahrenden Bootes, 1 oder 2 Auslegerhalter zum Fixieren des Bootes. Beim Aussteigen und Einsteigen helfen sich die an- und ablegenden Teammitglieder dann gegenseitig. Das Wechseltraining brachte einige Slapstick-Momente mit sich, aber aus Fehlern lernt man am meisten – glücklicherweise blieben alle trocken. Am Ende fühlte man sich gerüstet für die Dinge, die da kommen sollten. Nach der Abnahme des Bootes durch das Wettkampf-Komitee wurden am späten Nachmittag die Kohlehydrat-Speicher im Rahmen einer Team-internen Pasta-Party noch mal bis zum Rand aufgefüllt.

Kurz vor 19 Uhr ging es am Freitagabend endlich los. Die Supporter Lisa und Michael übernahmen das Rudern zum 5 km entfernten Start im Stadtzentrum Leeuwardens. Der Rest fuhr mit den 3 Begleitfahrzeugen in die Innenstadt. Viele der 81 teilnehmenden Teams hatten sich dort bereits im Startbereich eingefunden und belegten mit ihren Booten die komplette Uferlinie. Dementsprechend schwierig gestaltete sich das Ersetzen des Überführungsteam durch das Startteam Sybille und Matthias. Aufgrund des Mangels an Anlegeplätzen musste der Mannschaftsaustausch etwas unkonventionell über ein zweckentfremdetes Schlauchboot als Ersatzsteg erfolgen. Für Action und Adrenalin war also schon vor Beginn des Rennens gesorgt …

Unter großem Beifall und Anteilnahme der örtlichen Bevölkerung wurden die Boote ab 20 Uhr in 15- bis 20-Sekundenabständen auf die Runde geschickt: Das prädestinierte Siegerteam aus Aengwirden (und Co.) mit der Nummer 1, die Vorjahres-Mixed-Gewinner von RIC Amsterdam mit Nummer 4 („RIC Mix“), Cannstatt Boosted mit Nummer 16 und die niederländischen Mixedteam-Favoriten „Row4KiKa“, eine Rgm. aus 7 Vereinen, mit der Nummer 28. Nach etwas zähem Beginn aufgrund der fehlenden Überholmöglichkeit auf dem ersten Kilometer nutzen die Besatzungen der ersten 3 Ruderetappen die Chance, sich durchs Feld zu arbeiten. Beim ersten Wechsel war Cannstatt Boosted siebtes, an der ersten Stempelstelle in Dokkum bereits viertes Team. Startverzögerungsbereinigt war es aber bis dorthin nahezu ein totes Rennen in der Mixed-Wertung mit den 3 Top-Teams innerhalb von 30 Sekunden. Kurz nach Mitternacht gab es das nächste Zwischenergebnis: Cannstatt war an der Stempelstelle Leeuwarden bereits in Tuchfühlung zur 3,5 Minuten früher gestarteten Nummer 4 und übernahm direkt nach dem Wechsel den 2. Platz in der Reihenfolge hinter dem weit vorneweg fahrenden Team von Aengwirden. Row4KiKa war nach einem schwächeren Abschnitt im bereinigten Klassement schon 7 Minuten zurück. Während der Nachtetappen in Richtung Süden konnten bis Sloten die Abstände leicht ausgebaut werden auf 6 Minuten vor RIC-Mix und 9 Minuten vor Row4KiKa. Auf den spätnächtlichen-frühmorgendlichen Etappen zum südwestlichsten Punkt Stavoren wurde dann der Boost gezündet und die Abstände auf 12 bzw. 18 Minuten erhöht – beruhigend! Dieser Vorsprung vor den Verfolgern blieb während der Fahrt entlang des Ijsselmeers und von Harlingen zurück nach Leeuwarden relativ konstant. Row4KiKa konnte ein starkes letztes Drittel aufweisen, den RIC auf den letzten Etappen noch überholen und etwas näher kommen. Der Mixed-Sieg von Cannstatt Boosted war aber zu keiner Zeit gefährdet und angesichts der Ausgangslage überraschend klar in 18:12 Stunden. Dies bedeutete den zweiten Platz im Gesamtklassement, satte 44 Minuten hinter dem designierten Sieger-Team von Aengwirden. 15 bzw. 20 Minuten hinter Cannstatt Boosted kamen Row4KiKa und RIC Mix ein, was Gesamtplatz 4 und 5 bedeutete und die hohe Qualität des Mixed-Wettbewerbs unterstrich.

Patrick hatte mit seinem Sechserteam nach dem harten Kampf im Vorjahr in diesem Jahr keinen Gegner, der nur annähernd das Wasser reichen konnte. So brauchte man neue Ziele, die da hießen „gute Gesamtplatzierung“ und „möglichst klares Unterbieten des Klassenrekordes“. Beides gelang beeindruckend, und nach 19:06 Stunden stand neben dem Klassensieg und dem 8. Platz gesamt auch eine Verbesserung des Rekordes von 2014 um 22 Minuten auf der Haben-Seite.

Nach Duschen, Essen fassen und Siegerehrung stand am späten Samstagnachmittag für die meisten erst mal das Nachholen eines Teils des verpassten Schlafs aufgrund der durchruderten Nacht auf dem Programm. Größere, dem Erfolg entsprechende Festivitäten sollten am späteren Abend bei den müden Kriegern nicht mehr aufkommen. Immerhin reichte es im kleineren Kreise noch zu lustigen Gesprächsrunden bei dezentem Biergenuss.

Nach verdienter, ausgiebiger Nachtruhe läutete der traditionelle Abschluss-Brunch das Ende des Elfstedentocht-Ausflugs 2016 ein. Die Zusammenpack- und Verladearbeiten wurden durch ein bis zur Achse eingesunkenes Zugfahrzeug etwas verzögert. Gut, wer Ruderkameraden mit Geländewagen hat (vielen Dank an Thomas Judaschke/Oldenburg!). Nach zäher Rückfahrt war das Friesland-Abenteuer nach gründlicher Saubermach- und Aufriggeraktion von Tri-Umpf am (sehr) späten Sonntagabend beendet. In Erinnerung bleiben ein nahezu optimales Rennen bei brillanten äußeren Bedingungen, ein Team, in dem jede(r) Einzelne an die phyischen Grenzen ging, und eine über die gesamte Zeit blendende, entspannte Stimmung. Und natürlich das beste Support-Team der Welt, das neben der Unterstützung die ganze Aktion auch noch umfangreich mit Bildern dokumentierte, s.u. (spezieller Dank an Oliver für seine Dienste als Regattafotograph)!!!

Die Geschichte des NL-Wochenendes von Cannstatt Boosted zum Miterleben gibt es hier als Bilder-Story:

Das Ergebnis mit allen Zwischenzeiten an den Stempelstellen kann hier eingesehen werden:
elfstedenroeimarathon.nl/tijden/24

20.05.2016 // Bericht: Matthias Auer // Die Elfsteden-Roeimarathon-Bilderstory von Team Cannstatt Boosted: Oliver Miedler

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