„Einfach machen“

Die Ruder-Kooperation zwischen dem RC Nürtingen und der Bodelschwingh - Schule hat sich prächtig entwickelt. Der Ergo-Cup ist „Riesenspektakel“

Acht Ruder-Ergometer standen in der Sporthalle der Nürtinger Bodelschwinghschule. Gegenüber auf einer Tribüne, die der Hausmeister eigens für die Veranstaltung aufgebaut hatte, saßen gespannt die Zuschauer, darunter viele Eltern. Dann hieß es „row“, also „rudern“. Die Teams auf den Ergometern legten los, und eine La-Ola-Welle ging durch die Halle. Zwei Minuten dauerte jeder Durchgang, die letzten zehn Sekunden wurden vom Publikum mitgezählt: zehn, neun, acht …. bis zum Schlussapplaus. „Der Ergo-Cup ist mittlerweile ein Riesenspektakel“, sagt Trainer Hans Willi Kies vom RC Nürtingen.

La Ola in Nürtingen: Die Zuschauer feuern die Ruderer beim Ergo-Cup an)

Inklusion mal anders herum

20 Teams mit jeweils vier Ruderern nahmen Anfang Februar an dem Cup teil, drei Teilnehmer der Schule für Menschen mit geistiger Behinderung und ein Aktiver des Ruderclubs bildeten jeweils ein Team. Zwei Wochen lang hatten sie zuvor in der Halle dafür trainiert. „Schön zu sehen war, dass bei dem Rudercup Inklusion mal anders herum stattfand“, erklärt Kies. „Die 20 Aktiven wurden von den Bodelschwingh-Schülern in ihre Gemeinschaft integriert.“

Zusammen mit dem Lehrer Kai Vajen hat er 2013 eine inklusive Kooperation mit der Schule ins Leben gerufen. Vajen war auf den Verein zugegangen und auf offene Ohren gestoßen. Der Ergo-Ruder-Cup fand nun zum sechsten Mal statt, ist aber nur ein Teil der Zusammenarbeit. Der andere ist die inklusive Ruder-AG, die jeden Donnerstag stattfindet. Im Winter im Trockenen auf den Ergometern, in der wärmeren Jahreszeit auf dem Neckar.

Dafür wurde 2016 der „Includer“ angeschafft, ein 15.000 Euro teures Ruderboot, dessen Bau auch der WLSB mit Zuschüssen finanziell unterstützte. Das Besondere an dem Doppelvierer: Neben einem verstärkten Fußraum gibt es auch einen fünften Ruderplatz für den Trainer. Der Grund: Wenn die Kinder und Jugendlichen mal mitten auf dem Neckar keine Lust mehr hätten zu rudern, könne er das Boot notfalls alleine zurücksteuern, sagt Kies. Das sei eben das Besondere an den Kindern und Jugendlichen mit Behinderung: „Wenn sie keine Lust mehr haben, haben sie keine Lust mehr. Da können Sie nichts machen“, sagt der frühere Geschäftsführer der AOK-Bezirksdirektion Neckar-Alb und lacht.

Der „Includer“ hat einen fünften Ruderplatz, damit der Trainer ihn notfalls allein zurücksteuern kann

Projekt als Best-Practice-Beispiel

Am Anfang sei die Kooperation „ein ganz kleines Pflänzchen“ gewesen, erklärt Kies. „Dann hat es sich von Jahr zu Jahr besser entwickelt und etabliert.“ Trotz einiger Bedenkenträger hätten die Schule und der Verein einfach mal damit begonnen. Bei der Inklusion müsse man eben „einfach machen“, meint Kies und zitiert damit den Titel des WLSB-Fachtags Inklusion am 18. Mai im SpOrt Stuttgart: „Einfach machen! – Inklusion im und durch Sport“. Bei der ganztägigen Veranstaltung wird das Engagement des RC Nürtingen im Workshop 2 als Best-Practice-Beispiel vorgestellt. Zudem werden dort das Sieben-Schritte-Modell des WLSB und das Zuschussprogramm Schule-Verein erklärt.

Mittlerweile engagiert sich neben Vajen ein weiterer Lehrer in der Kooperation. Außerdem wird das Trainerteam von zwei nicht-behinderten Jugendlichen aus dem Verein unterstützt. Sie übernehmen im Rahmen des 30-stündigen „Sozialen Engagements“, das für die achten Klassen der Realschule vorgesehen ist, Teile des Trainings und leiten die Jugendlichen mit Behinderung an.

Die Bodelschwingh-Schüler sind nicht besser oder schlechter als andere Kinder und Jugendliche – aber sie sind etwas anders. „Man muss eine klare Sprache sprechen und klare Ansagen machen“, sagt Kies. „Es ist ganz wichtig, die Regeln auch einzufordern. Sonst tanzen sie einem auf der Nase rum.“ Brauche er doch einmal einen Rat, hole er sich den bei Kai Vajen.

Auch wenn die Schüler nicht alles gleich verstehen oder einem beim Rudern mal etwas nicht gelingt: Er habe nie gehört, dass einer sagt: „Du bist doch blöd, warum verstehst Du das nicht?“, erklärt Kies. Bei Schülern ohne Behinderung passiere das eher mal.

04.2019 || Bericht: Matthias Jung für Sport in BW, Magazin des WLSB || Fotos: privat, RCN

‹ Zurück zur Übersicht