Wettkampf am Rande einer Randsportart – RCN-Breitensportler auf der Kühkopf-Regatta

Fronleichnam – Kühkopf. Das ist eine gängige Assoziation bei vielen Breitensportsruderern v.a. in Deutschlands Südwesten. Kühkopf ist der Name des wildromantischen Naturschutzgebiets ca. 15 km westlich von Darmstadt, das vom begradigten Neurhein und einer weit nach Osten erstreckenden Altarmschlinge eingeschlossen wird. Der Ruder-Club Neptun Darmstadt ist in der glücklichen Lage, über dieses Kleinod als Ruderrevier verfügen zu können. Sein Bootshaus bei Erfelden liegt ziemlich genau auf halber Strecke der knapp 17 km langen Altarm-Schlinge.

Mit der Situation eines Rundkurses vor der Nase musste sich zwangsläufig irgendwann die Frage stellen, wer diesen Rundkurs am schnellsten absolvieren kann. Zunächst als Vergleich innerhalb des RC Neptun bzw. zusammen mit dem zweiten Kühkopf-Anliegerverein ins Leben gerufen, hat sich der Wettkampf „Rundum den Kühkopf“ über die Jahre zu einer überregional bekannten Veranstaltung gemausert. In der Regel zieht sie mittlerweile zwischen 30 und 50 Bootsbesatzungen aus der näheren aber auch deutlich ferneren Umgebung an. In diesem Jahr machte sich zum ersten Mal auch eine kleine Delegation von 7 Nürtingern auf den 200 km weiten Weg. Abgesehen von Kühkopf-Veteran Matthias Auer und Breitensport-Chefausbilder Patrick Plagge war es für alle RCNler die erste Langstreckenregatta, für einige gar die erste Regattateilnahme überhaupt.
Durch den späten Entschluss zur Teilnahme blieb nicht mehr Zeit zum Üben. Neben dem ruderischen Zusammenkommen stand dabei v.a. auch das Heranarbeiten an längere Belastungen im Vordergrund. Mehr als 4 Neckar-Längen stellten für einige ein Novum dar. Mit absolvierten 6 Trainings-Längen entsprechend 18 km konnte die Ehrfurcht vor der Rundum-Wettkampfdistanz von 22,3 km deutlich reduziert werden. Geübt wurde aber auch das ungewohnte Wenden über Backbord, das bei der Kühkopf-Runde sowohl bei der Ausfahrt auf den Neurhein als auch der Einfahrt in den Altarm unter Wettkampfstress notwendig sein würde. Nicht so trivial, wie es sich anhört – der Mensch ist ein Gewohnheitstier!

Nach sehr zäher, staureicher Anfahrt am Mittwochabend vor dem verlängerten Wochenende konnten die Boote „Steinach“ und „Viktor“ vor der einbrechender Dunkelheit zwar abgeladen und aufgeriggert, aber nur noch partiell Rhein-tauglich gemacht werden. In der Regel ist dieser 5,5 km lange Neurhein-Abschnitt zwischen den beiden beschaulichen Altrhein-Strecken zwar nicht wirklich wild, aber fies wird es ja bekanntlich immer dann, wenn man unvorbereitet ist. Also Bugabdeckung drauf („Steinach“), Wellenbrecher verstärken („Viktor“) und die Ausleger bei beiden Booten auf ca. 20 cm Breite abkleben. Ein Teil der Arbeit musste dann halt am nächsten Morgen nach Befreiung der Boote vom Morgentau erfolgen. Außerdem wollten auch die hurtig gelieferten Pizzen verspeist werden.

Nach einer mehr (Schnarcher) oder weniger guten (frustrierte Zuhörer) Nacht im Bootshaus zusammen mit weiteren Gästen aus Karlsruhe wurde es am Donnerstagmorgen bei guten äußeren Bedingungen ernst. Die frühere der zwei „Steinach“-Runden wurde von der Besetzung Peter Maier, Maike Voß, Marcel Kirchner, Patrick Plagge und Andrei Maier (Stm.) bestritten. Zeitglich ging Matthias Auer mit seinem Ruderkollegen aus gemeinsamen Unizeiten, Olaf Behrend (Ulmer RC Donau), im Doppel(herz)-Zweier auf Wasser. Letztere merkten das fehlende gemeinsame Training und es brauchte doch einen guten Teil der ersten Altarmstrecke, bis man sich richtig aufeinander eingestellt hatte. Auf dem Neurhein hatte die beiden das Pech, die komplette Strecke im unruhigen Wasser hinter einem Bergfahrer absolvierten zu müssen – im Rennboot eine eher undankbare Aufgabe. Auf dem zweiten Teilstück auf dem Altrhein lief es dann aber wie in guten alten Zeiten. Die bis auf Patrick vollkommen unerfahrene Viererbesatzung kam gut und ohne individuelle Ausfälle oder Probleme durch. Ein vorher gestartetes Boot konnte auf dem Rhein überholt werden. Der Angriff eines heranfahrenden Vierers wurde abgewehrt und pariert; auf dem zweiten Altarm-Abschnitte hatten die RCNler dann den längeren Atem und konnten den Kontrahenten wieder deutlich davon rudern. Andrei bestand die Feuertaufe, lenkte die „Steinach“ sicher um die Kühkopf-Insel und meisterte auch die etwas kniffligeren Passagen, insbesondere die Einfahrt vom Rhein auf den Altarm, mit Bravour. Patrick auf dem Schlagplatz fühlte sich gut unterstützt und war voll des Lobes über seine Newcomer-Crew.

Weniger als eine Stunde nach der Zieldurchfahrt überfuhr die „Steinach“ die Startlinie ein zweites Mal. Diesmal mit an Bord der Sport-Vorsitzende Andreas „Schäbi“ Keller, der sich gleich zwei Herausforderungen stellte: einer Distanz jenseits der gewohnten 1000 m, und das auch noch im ungewohnten Skull-Boot. Unterstützt wurde er dabei von 4 bereits vorgewärmten Ruderern, die gar nicht genug vom Kühkopf bekommen konnten: vom RCN Patrick und Matthias, der zudem noch die alten Weggefährten Olaf Behrend und Gerhard Hoffmann (Kitzinger RV) zu einem Zweiteinsatz überredet hatte. Auch diese dritte Runde mit RCN-Beteiligung lief gut. Als letztes Boot gestartet, konnten über die Strecke noch 3 Vierer und 1 Zweier eingesammelt werden. Der Steuermannswechsel auf halber Strecke auf dem Rhein – Patrick hatte auf dem Steuersitz begonnen und wurde von Olaf Behrend abgelöst – lief schnell und geschmeidig ab. Auf den letzten km musste man dann aber doch der Vorbelastung Tribut zollen; eine leichte Abnahme des Vorschubs war nicht von der Hand zu weisen.

Unterm Strich standen für den Breitensport-Vierer „Steinach I“ eine reine Ruderzeit von 1:44:21 h, die zwölftschnellste Zeit unter den 28 Vierern, die am Start waren. Nach der Handicap-Multiplikation (je nach Geschlecht und Alter gibt es eine Zeitgutschrift, so dass alle Boote in einer Handicap-Wertung vergleichbar sind) ergab sich der 15. Platz in der Vierer-Wertung. Mit 1:36:11 h erreicht das „Steinach II“-Team die sechstbeste Ruderzeit und kam post-Handicap auf den 10. Platz der Vierer-Kategorie. Olaf und Matthias erzielten in 1:28:53 h die schnellste Tageszeit und gewannen die Zweier-Wertung gegen 9 konkurrierende Boote. Im korrigierten Gesamtklassement aller Bootsklassen mussten sie sich hinter zwei Vierern mit deutlich besseren Handicap-Faktoren mit dem 3. Platz gegeben.

Der Ausflug zum Kühkopf hat sich für die 7 Unerschrockenen auf jeden Fall gelohnt. Man hat nicht nur ein neues, sehr schönes Revier berudert und überwiegend erste Langstrecken- und Rheinerfahrung gesammelt; man hat sich auch einer Herausforderung mit ungewissem Ausgang gestellt und diese mehr als gut bestanden. Mit schmerzenden Hintern und zahlreichen Blasen als Arbeitsnachweise fuhr man mit einer großen inneren Zufriedenheit nach Hause. Auf ein Neues im nächsten Jahr, hoffentlich in deutlich größerer Mannschaftsstärke.



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