RCN Nürtingen beim Rheinmarathon 2019

Nürtingen kennt seinen Ruderclub vor allem wegen der sehr erfolgreichen Jugendarbeit und den von den Aktiven erruderten Siegen und Platzierungen auf nationalen und internationalen Regatten. Und doch: rudern ist mehr als nur siegen oder verlieren. Speziell im Breitensport kommt noch die Einstellung hinzu, dass schon der Weg das Ziel ist. Die Möglichkeit der Teilnahme an einem Rudermarathon ist damit per se schon das große Los.

Am 05. Oktober 2019 war es wieder soweit. Rheinmarathon von Köln nach Düsseldorf, 42,8 km rudernd zu bewältigen. Zwei Mannschaften aus der Breitensportabteilung wollten sich dieses Jahr der Herausforderung und den Strapazen stellen.
Sowohl ein Damen,- als auch ein Herrenteam, beide in der Altersgruppe +/- 50 machten sich auf den Weg nach Köln, um die Fahne aus Nürtingen hochzuhalten. Dabei im Damenboot zwei und im Herrenboot ein Teilnehmer, die erstmals am Rheinmarathon teilnehmen wollten.

Die Fakten: ungefähr 200 teilnehmende Mannschaften, damit ungefähr 1000 Starter, in Deutschland vermutlich die bekannteste Langstreckenregatta. Vom Anfängerboot bis zum früheren Olympiasieger ist in der Regel alles vertreten.
Während die normale Regattastrecke 1000 bzw. 2000 Meter und damit je nach Bootsgattung und Leistungsklasse in 3-4 oder 6-8 Minuten rudernd zu bewältigen ist, dauert ein Rheinmarathon ungleich länger. Neben der Kondition der Mannschaft hängt er vor allem vom Wasserstand des Rheins ab. Die normale Strömung - mit der ein Boot ohne rudern treiben würde - beträgt ungefähr 6 Kilometer/Stunde. Je nach Wasserstand variiert die Strömungsgeschwindigkeit. Entsprechend variieren auch die Siegerzeiten. Mit 2:11,44 lag die diesjährige Siegerzeit eher im langsameren Bereich, weil auch der Rhein Niedrigwasser führte. Erstaunlicherweise ist aber bis heute keine Unterbietung der Siegerzeit von 1978 mit 2:01:36 gelungen.

Die Regatta: Start beim RTHC Bayer Leverkusen in Köln-Stammheim, wo der Autor einst beim Kinderrudern das erste Mal in einem Ruderboot saß, Ziel nach 42,8 km beim gediegenen Düsseldorfer Ruderclub Germania 1904.
Nur für den Rheinländer ist der Weg von Köln nach Düsseldorf vermutlich emotional so vielschichtig: Altbier statt Kölsch, WDR 3 statt SWR 3, Aldi Nord statt Aldi Süd. Der Weg auf dem Rhein ist anders als der Neckar bei Nürtingen eine von der Industrie geprägte Industrielandschaft. Mit Bayer oder deren späteren Abspaltungen sowie Henkel dominieren frühere Chemieunternehmen den Rhein. Aber: darin liegt genau der besondere Charme dieser Landschaft.

Rudern ist nicht Sightseeing, deswegen ist die Kernfrage, was passiert auf dem Wasser und nicht was passiert auf Land. Ähnlich wie Autobahnen sind große Flüsse Adern der logistischen Versorgung. So kann man sich den Rhein bei Köln wie die A8 bei Stuttgart vorstellen. Statt Autos und LKW’s transportiert die Berufsschiffahrt Güter von A nach B und zunehmend die Flusskreuzfahrtschiffe Touristen. Bei Niedrigwasser können die Schiffe nicht mehr voll beladen werden, in der Folge fahren daher noch mehr Schiffe, um die Waren von A nach B zu bringen. So war es auch wieder am Regattawochenende.
Herbstliches Wetter, leichter Gegenwind und hohes Schiffsaufkommen waren am Samstagvormittag ein würdiger Cocktail für eine Rheinregatta. Und weil genau diese Zutaten von den Mannschaften erwartet werden, werden am Vortag die Boote hierfür vorbereitet. Neben verklebten Bug- und Heckabdeckungen werden vor allem die Ausleger und die Seiten der Boote mit „Tesa“ abgeklebt, um bei zügiger Fahrt zu verhindern, dass Wellen ungehindert in das Boot laufen können.
Trotz dieser Vorbereitung ereilt immer wieder Mannschaften das Schicksal „abzusaufen“, weil Rheinschiffe der 2 500 Tonnen-Klasse Fehler des Steuermanns/Steuerfrau bei Falscheinschätzung von Wellen oder beim Queren des Rheins unmittelbar bestrafen. Derartiges ist auf dem Neckar bei Nürtingen ohnehin, aber auch ab Plochingen eher ungewöhnlich.

Mit der Startzeit von 9:13:30 sind die Frauen und mit 10:28:30 die Herren des RCN aufgefordert, in das Rennen zu gehen. Der Moment vor dem Start ist für viele Ruderer die „Ruhe vor dem Sturm“. Die Boote starten im 90 Sekunden-Rhythmus. Perfekt organisiert vom RTHC Bayer Leverkusen. Frauen- und Herrenboot sind auf dem Wasser.

Faktencheck aus Sicht des Herrenbootes: bereits nach ca. 8 km überholt der Sieger der Masters-Klasse MDA 43 und Sieger der Nicht-Rhein-Vereine, der Stuttgart-Cannstatter-Ruderclub, den RCN. Mit 2:38,18 ist der RCN fast 20 Minuten langsamer als Cannstatt, die mit 2:18,32 den Klassensieg holen. Für den RCN bleibt nur ein Platz im Mittelfeld. Die Frauen beenden ihr Rennen in der Klasse MDA 50 mit 3:06,03 gute 30 Minuten nach den Siegerinnen aus Saarbrücken auf dem letzten Platz.

Ergebnismäßig müsste man das Rennen daher beim erfolgsverwöhnten RCN aus Vereinssicht abschreiben. Interessanterweise fühlen sich aber alle Teilnehmer am Rheinmarathon als „Sieger“: den inneren Schweinehund bekämpft zu haben, angekommen zu sein, eine Teamerfahrung gesammelt zu haben, etc.
Daher zwei Betrachtungen:
Der Abstand von guten zu sehr guten Ruderern/Innen bleibt immer gleich: ja, im Wettkampf zählt nur die Zeit, egal auf welchem Gewässer: schnell gewinnt.
Rudern ist mehr als gewinnen?!
Rudern ist tatsächlich mehr als gewinnen: Als Teamsport versucht Rudern im Breitensport neue Ruderer/innen an die Herausforderungen „Wasser“ und „Wettkampf“ heranzuführen. Gewinnt, wer seinen persönlichen Schweinehund besiegt. Gewinnt der, der die optimale Teamleistung realisiert, das heißt, das meiste aus sich rausholt, auch letzte können Sieger sein.
Siegen ist mehr als gewinnen. Siegen ist eine Einstellung, aber auch dank unserer Trainingsruderer beim RCN in der Regel ein Fakt.

Männerboot: Ruderer von links nach rechts: Andreas Lingscheid (Steuermann), Thomas Horn, Götz Rosenberg, Dirk Otto, Jürgen Künecke

Frauenboot: Ruderinnen von links nach rechts: Patrick Plagge (Steuermann), Charlotte Rudolf, Alexandra Hendel, Sandra Wiesenberg, Christine Görzen

09.10.2019 || Bericht: Andreas Lingscheid || Fotos: meinruderbild.de

‹ Zurück zur Übersicht