Gesamtsieg bei der Tour du Léman à l´Aviron

Vom 22. bis 24. September war es wieder so weit – der Saisonhöhepunkt für die ganz hartgesottenen Langstreckenruderer stand an, die Tour du Léman à l´Aviron. Oder schnöder ausgedrückt: die Genfersee-Regatta, ein Rennen über 160 km in gesteuerten C-Vierern rund um Mitteleuropas zweitgrößten See (hinter dem Plattensee und vor dem Bodensee!). Mit 12 Teilnahmen, davon seit 2006 ohne Unterbrechung, gehört RCNler Matthias Auer zu den erfahreneren Genf-Kempen. Während er sonst mit Kollegen eines über die Jahre gewachsenen Langstreckler-Pools startete, war die Ausgangskonstellation in diesem Jahr etwas anders: aufgrund von Rücktritten bzw. anderen Schwerpunktlegungen oder aber konkurrierender Projekte musste beim Team-Building etwas improvisiert werden. So ergab es sich, dass Matthias zwar mit 2 seiner langjährigen Genf-Kollegen, Henning Osthoff vom RC Hamm und Christian Maus vom Bonner RV, im Boot saß, er die beiden anderen Ruderer vom WSAP Hamburg, Max Rolfes und Jens-Peter Müller, aber nur vom Hörensagen oder sehr losen Regattakontakten kannte.

Das Kennenlernrudern musste aufgrund der Entfernung und zahlreicher persönlicher Verpflichtungen und Baustellen auf ein Wochenende konzentriert werden. Anfang August traf man sich in Hamm und absolvierte eine größere und eine kleinere Runde von 80 bzw. 30 km Länge. Das gemeinsame Rudern klappte erstaunlich gut und die gute Bootsgeschwindigkeit und hohe Effizienz des Zusammenspiels ließ die Hoffnung reifen, dass man gegen das starke Boot der Kollegen aus dem Rheinland mit niederländischer und Cannstatter Ergänzung – im Vorjahr in 4/5-Besetzung unglücklicher Tour-Zweiter mit historisch knappen 24 Sekunden Rückstand und Gewinner des Rheinmarathons – mehr als nur physische Präsenz gegensetzen konnte. Hinsichtlich des Bootsmaterials kämpfte man mit gleichen „Waffen“: Beide Favoritenteams nutzten ihren Zugang zu Wiersma-Booten, so dass der Nürtingert "Includer" zu seinem Genf-Debut nebst seinem in Bad Cannstatt untergekommenen Schwesterschiff "Give me Five" kam. JP [„DscheiPii“] Müller sorgte als Concept2-Mitarbeiter mit einer Anreise über Zürich dafür, dass für die Regatta feinstes fabrikneues Material, soft Skinnies mit Fat2-Blättern, zur Verfügung stand.

Die Anfahrt erfolgte als Gemeinschaftstransport der beiden Siegaspiranten – man schätzt, mag und hilft sich, und das nicht erst seit den erfolgreichen Kooperationen zwischen einigen der Teammitglieder im Jahre 2017 (Eurega, Elfstedentocht und der KCfW-Regatta). Eine echte Ochsentour vor DER Tour war am Donnerstag zu verrichten: Nach Start mit Michi (Gegner) und Marion (Gegner-Groupie) in Köln ging es für Henning über Cannstatt (Hänger- und Bootmitnahme) und Nürtingen (Zuladung Includer und Matthias) nach Genf, wobei noch Mannschaftseinkäufe getätigt und diverse Staus und abenteuerliche Umleitungen Schweizer Art mitgenommen wurden. Erst um 02:00 Uhr kam man nach der nächtlichen Abladeaktion im altbekannten Bunker von Cologny zur verdienten Nachtruhe. Schön war, dass schon das ganze Team vollständig vor Ort war – um Christian mit seinem AirBerlin-Schnäppchenflug hatte man sich nach der turbulenten Vorwoche schon ein bisschen Sorgen gemacht…

Am Freitag stand das große Boote-Aufriggern und -Präparieren auf dem Plan. Auch wenn die Wetterprognosen unproblematische Verhältnisse verhießen und Includer über eine sehr gute Wellengängigkeit verfügt, so waren doch viele und langwierige Arbeiten notwendig – wobei das ganze Prozedere fraglos auch ein bisschen zelebriert wird und man zeigen will/muss, was man hat. Jedenfalls war die Zeitplanung gut genug, um mittags im Bunker nochmals ordentlich Pasta zu fassen und vor Beginn des offiziellen Regatta-Programms Probe zu rudern. Bei überraschend welligen Bedingungen wurde die Seetauglichkeit von Boot und Team mehr auf die Probe gestellt als dies angesichts der Wetterhersage zu erwarten war – so richtig rhythmisch und einheitlich wie auf dem Kanal bei Hamm war die Ruderei definitiv nicht. Nichtsdestotrotz bekam man ein Feedback bezüglich der Bootseinstellungen und konnte sich in der verbleibenden Zeit ans Finetuning machen.

Das offizielle Programm begann um 17:30 Uhr mit der Sicherheitseinweisung. Nach einer kurzen Pause ging es mit dem Empfang, sprich Getränken von der Theke und Fingerfood nebst Ansprachen weiter. Aufgrund der Aufstellung des Masters-Rekords im Vorjahr durften Matthias und 2 seiner vor Ort weilenden Kameraden aktiv am Programm teilnehmen und wurden mit einem Zinnteller aus Händen des Rio-Olympiasiegers Lucas Tramér (LM 4-) geehrt. Nachdem die Häppchen-Tablets anfangs immer arg schnell leer gefegt waren, kam man mit zunehmender Zeit mehr auf seine Kosten. Insbesondere süße Häppchen können sie einfach, die Schweizer! Zum Abschluss des Empfangs gab es noch den aktuellen Wetterbericht: Abgesehen von der Möglichkeit thermischer Winde aus Norden während der ersten Rennstunden waren sehr gute äußere Bedingungen mit Sonne, wenig Wind und Temperaturen um 20°C zu erwarten. Großartig! Traditionell ließ man den Renn-Vortag auf der Terrasse des Lion d´Or unweit des Bunkers mit einem hopfenhaltigen Getränk ausklingen.

Samstag – Renntag: Aufgrund der frühen Anmeldung kam die Includer-Crew in den Genuss einer späten Zu-Wasser-Geh-Zeit. Diese und die eigentlich nur noch wenigen Arbeiten am Boot verleiteten ein wenig zum Bummeln. So kam es, dass es nach verzögertem Ablegen doch noch recht eng wurde und man den Start-Countdown in einiger Entfernung von der Startlinie vernahm. Eine Regatta von 160 km Länge wird zwar nicht auf den ersten Metern entschieden, aber aus Jux und Tollerei gleich 2 Längen her zu schenken und dem Feld hinterher zu eilen ist natürlich nicht im Sinne des Erfinders. Die schlechte Nachricht: der Start in die Regatta war alles andere optimal. Die Gute: dieser selbstverschuldete Lapsus sollte im weiteren Rennen mehr oder weniger der einzige bleiben. Zwar fand man sich ein bisschen eingekeilt im Feld hinter der Spitzengruppe wieder, aber mit ein paar „Dicken“ und „ab durch die Mitte“ war der Weg nach vorne frei. Bis zur 90°-Kurve nach ca. 1 km war man aber schon an dritter Stelle, allerdings immer noch jene 2 Längen vom Start hinter den Mitfavoriten. Die Rgm. Bad Cannstatt/Kleve/Köln/Neuwied/Tilburg wollte diese Führung nicht so ohne weiteres abgeben und hielt ordentlich gegen. Technisch sauber und mit großer Effizienz wurde Includer mit Schlagzahl 28 Zentimeter für Zentimeter herangeschoben und der minimal höhere Speed auch beim und nach dem Passieren aufrecht erhalten, um zunehmend Wasser zwischen die Boote zu bringen. Überraschenderweise gab es über die halbstündigen Wechsel und Teamveränderungen hinweg keine grundlegenden Veränderungen an diesem leichten Geschwindigkeitsüberschuss – der Vorsprung wuchs beim mittlerweile etwas ruhigeren Streckenschlag von 26,5 bis 27 langsam aber stetig weiter an. Am ersten ortsfesten Zeitnahmepunkt in Rolle betrug er bereits unerwartet große 4 Minuten. Zudem war man auch sehr flott unterwegs und lag mit 2:20 Stunden Ruderzeit lediglich 2 Minuten über der Rekordmarke von 2011, auch eine Folge dessen, dass der befürchtete Gegenwind auf diesem Streckenabschnitt ausblieb und stattdessen leichter Rückenwind vorherrschte. Bis zum Ostende des Genfer Sees konnte der Vorsprung weiter ausgebaut werden, wenn auch etwas weniger schnell. Le Bouveret durchfuhr das Includer-Team nach einer Ruderzeit von 6:44 Stunden deutlich über dem Rekord (13 Minuten), die Konkurrenten folgten 8 Minuten später. Gegen ein „normales“ Team ohne Frage ein beruhigender Vorsprung, nicht aber gegen diese Ansammlung von Langstreckenfreaks mit berühmt-berüchtigter zweiter Rennhälfte, insbesondere unglaublichen schnellen letzten 2 Stunden. So ging es darum, die Gegner möglichst auf Distanz zu halten und selbst fokussiert und konzentriert zu bleiben. Persönliche Ausfälle waren strengstens untersagt. Auf dem immer sehr zähen Stück entlang der französischen Küste des Genfersees bis zum nächsten Kontrollpunkt bei Sciez wurde die Vorgabe „Vorsprung verteidigen“ ganz gut erfüllt. In Sciez, erreicht bei 9:51 Stunden, war man immer noch 7 Minuten voraus. Diese auf 28 km zu verteidigen schien machbar, auch wenn die Kollegen im Vorjahr 6 Minuten nahezu „zugefahren“ hatten. Allerdings bewegten sich Max und JP freilich schon seit 4 Stunden in Ausdauer-Gefilden, die sie noch nie zuvor betreten hatten. Mit dem großen Ziel vor Augen und dem Wissen der außergewöhnlichen Steherqualitäten der Kontrahenten im Hinterkopf wurden im letzten Sechstel des Rennens nochmals alle Kräfte mobilisiert und dabei Includer streckenweise zum Fliegen gebracht. Die sonst nahezu endlose Lichterkette der Uferpromenade schien in diesem Jahr nicht ganz so lang zu sein bis es endlich im Bereich der SNG-Mole Licht wurde und der erlösende Böllerschuss erklang, der 5 Ruderer zu glücklichen Genf-Siegern machte. Die magische 12-Stundengrenze, die eigentlich schon in weitere Ferne gerückt war, wurde aufgrund des starken Finishs gar nicht so weit verfehlt – 12:02 Stunden betrug schließlich die Ruderzeit, die fünftbeste in der 45jährigen Regattageschichte! Die harte Konkurrenz aus Bad Cannstatt/Kleve/Köln/Neuwied/Tilburg, die über die gesamte Strecke mehr oder weniger gut in Sichtweite war und den Druck stetig aufrecht erhalten hatte, kam 9 Minuten später an und erzielte fast sekundengenau dieselbe Zeit wie im Vorjahr.

Der weitere Rennabend lief traditionell ab: Kurze Ehrerweisung mit Schampus und Team-Foto – Duschen – Essen fassen. Danach noch gemeinsame Absackerbiere mit dem Team und den Lieblings-Konkurrenten am Lion d´Or. So richtig alt wurde am Abend eines harten Tages niemand mehr. Fazit: nach getaner Arbeit, dem einen oder anderen Bier intus und mit großer innerer Zufriedenheit schläft es sich im Bunkerbettenlager deutlich besser als im aufgekratzten Zustand vor der Regatta…

Am Abschlusstag begann das offizielle Programm um 11:30 Uhr mit der Siegerehrung. Bis dahin war Abriggern, Säubern und Verladen angesagt, um Veranstaltungsende eine direkte Heimfahrt zu gewährleisten. Mit Hilfe einiger Heinzelmännchen aus Bad Cannstatt (DANKE!) wurde dieser Plan nach einem etwas zu gemütlichen Start in den Tag auch gerade noch so umgesetzt. Das Schöne an der Siegerehrung in Genf ist, dass es im Endeffekt nur Sieger gibt und alle Teilnehmer aufgerufen werden, um die entsprechende Aufmerksamkeit und den angemessenen Applaus für das Geleistete zu bekommen. Wenn Damen jenseits der 50 sich mehr als 19,5 Stunden abmühen ist das genauso beeindruckend wie wenn Männer mit hohem Trainingsaufkommen das Ganze in etwas über 12 Stunden und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 13 km/h absolvieren. Hübsche Teilnehmer-Becher aus Zinn erhielten alle als sichtbare Respekts-Bekundung. Die Siegerkännchen gab es freilich nur für die Klassensieger, das dickste naturgemäß für die Gesamtsieger. Nach dem Gruppenfoto wurde die Veranstaltung abgeschossen, wobei noch der letzte, schöne Programmpunkt folgte: das leckere 3 Gänge-Abschluss-Bankett auf dem gewohnt hohen Niveau.

Genf war, wie immer, eine Reise wert. Es gibt deutlich größere Veranstaltungen mit stärkerem Wettkampf, aber das Gesamtpaket Tour du Léman ist einfach unschlagbar gut. Die Tour 2018 wurde von beiden Kontrahenten bereits vor Ort gebucht…

Ein großer Dank geht

  • an Stéphane Trachsler und sein Team für die Orga dieses phantastischen Events,
  • an die Eltern Osthoff für die Bereitstellung des Zugfahrzeugs,
  • an Concept2 Schweiz für den Support in puncto Material und Logistik,
  • und nicht zuletzt an die Hauptgegner in Give me Five und deren großes Support-Team für das faire und nette Miteinander und die Unterstützung über Teamgrenzen hinweg!

Mehr zum Rennen gibt es auf rudern.de. Infos zur Veranstaltung inkl. detailliertem Ergebnis und Media-Links gibt es unter:
nautique.ch/fr-ch/events/2017-09-22-45eme-tour-du-leman-a-l-aviron-et-8eme-course-d-aviron-interentreprise

Am Freitag standen umfangreiche Präparationsarbeiten an Includer zur Erlangung der Seereife auf dem Programm. Den Nachweis musste er bei der Probefahrt am Nachmittag auch gleich erbringen…

Ehrung der anwesenden Masters-Rekordhalter von 2016 – Henning Osthoff (RC Hamm), Matthias und Jörn Michel – durch Ehrengast Lucas Tramér im Rahmen des freitäglichen Empfangs, hier vorab im Gespräch mit Tour-Organisator und SRV-Präsident Stéphane Trachsler.

Traditionelles Treffen auf der Terrasse des Lion d´Or mit dem genialen Blick auf Genf und den großen See am Rennvorabend. Von links nach rechts: Christian, JP, Max, Henning, Matthias.

Dieselben Gestalten in veränderter Aufstellung und in Rennklamotten am nächsten Morgen, (eigentlich schon zu) kurz vor 8 Uhr: noch ein ganz fixes Team-Foto vorm Ablegen.

Auch auf dem Weg zum Start schon um gute Synchronität und hohen technischen Standard bemüht…

Das schon weit auseinander gezogene Feld nach etwa 2 km Ruderstrecke, mit dem Includer-Team (noch) an zweiter Stelle.

Kurz nach dem ersten Wechsel und kurz vor dem ersten Kontrollpunkt, bereits mit ca. 30 Sekunden in Front.

Für die Nicht-Langstreckler – so wird gewechselt: Ruderer geht aus Stemmbrett und duckt sich im Fußraum ab während der (Ex-)Steuermann durchs Boot und über den wechselwilligen Ruderer hinweg steigt.

Bis der neue Steuermann durchs Boot gehirscht ist, sich auf dem Steuersitz niedergelassen hat und in die Steuerseile greift, sollten alle auf den Ruderplätzen ihren Durst gestillt haben und (zumindest in den nächsten Sekunden) ruderbereit sein!

Knapp 11 Stunden später in der Abenddämmerung sind die Helden immer noch fokussiert und optisch sehr respektabel unterwegs – das nahende Ziel verleiht zusätzlich Flügel.

Nach über 12 Stunden Schufterei fällt an der Hafenmole der SNG doch so einiges ab – schön war´s und noch schöner, dass es endlich vorbei ist!

Ein weiteres Muss: das Nachher-Lac Léman-Bezwinger Mannschaftsbild der müden aber glücklichen Krieger direkt nach dem Anlegen, erfreulicherweise mit Siegerschampus.

Gut gelaunt bei den morgendlichen Aufräumarbeiten. Der aufmerksame Betrachter kann auch Rückschlüsse ziehen, welches Utensil die Beseitigung nicht mehr benötigter Körperflüssigkeiten an Bord erleichtert…

Ein letztes Mannschafts-Posing bei der Prizegiving-Ceremony: “And se big Kanne goes to se Includer-Team!”

Und schließlich dürfen alle nochmal fürs finale Gruppenbild vor dem Abschlussbankett in die Kamera winken.

04.10.2017 // Bericht: Matthias Auer // Fotos: Veranstalter (SNG) und privat

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