Elfsteden Roeimarathon 2015: NüBüKAKi und los tres Schpätzles rocken die Grachten

Am Freitag und Samstag nach Christi Himmelfahrt findet immer die größte Marathonruderveranstaltung der Niederlande statt: Der Elfsteden Roeimarathon durch die 11 Städte Frieslands, nach dem Vorbild der legendären Eisschnelllauf-Veranstaltung, zog auch in diesem Jahr mehr als 1000 Ruderinnen und Ruderer an, die sich in gesteuerten C-Zweiern über die 208 Wasserkilometer auf Grachten und Seen miteinander messen wollten. Normalerweise geschieht dies in Form eines Staffelwettbewerbs mit 12-köpfigem Team. Für die ganz Unerschrockenen gibt es jedoch Möglichkeiten, den Körpern deutlich höhere Ruderdosen zukommen zu lassen…

Vom RCN waren in diesem Jahr Matthias und Patrick am Start. Matthias hatte die Teilnahme schon langfristig geplant hatte und strebte einmal mehr die maximal mögliche Selbstkasteiung in der Kategorie Buiten3, der sogenannten „Bullenklasse“ an. Dies bedeutet die Absolvierung der kompletten Strecke in einem Dreier-Team ohne Pausen außerhalb des Bootes. Leidensgenossen sollten zwei langstreckenerfahrene Kollegen aus Cannstatt, Jochen Betten und Jörn Michel, sein. Ein ebenso spezifischer wie griffiger Team-Name wurde nach etwas Hirnarbeit mit „los tres Schpätzles“ gefunden.

Im Gegensatz zu Matthias rutschte Patrick ziemlich kurzfristig in das Abenteuer Elfstedentocht hinein. Einmal nicht energisch genug gewehrt, und schon war er von den Kollegen aus Bückeburg (Andreas Bültmann), Karlsruhe (Helge Backhaus, Benedikt Fuß, Wolfdietrich Jacobs) und Kitzingen (Gerhard Hoffmann) für das Team NüBüKaKi verfreiwilligt, nachdem sich ein ursprüngliches Mannschaftsmitglied aufgrund akuter Rückenprobleme 2 Wochen vor der Regatta endgültig abmelden musste. Ziel des NüBüKaKi-Teams war die Titelverteidigung in der Buiten6 (= „Bullen-light“) Kategorie, also der Klasse der aus lediglich 6 Mitgliedern bestehenden Mannschaften, die in der Regel ohne feste, leichtgewichtige Steuerleute an den Start gehen. Für die einzelnen Ruderer bedeutet dies eine Doppelbelastung, da zusätzlich zur Ruderei auch Etappen gesteuert werden müssen. So kommen zu den im Schnitt 7 oder 8 harten Ruderetappen von 7 bis 11 km noch 4 oder 5 Steueretappen hinzu – das Ganze ist aufgrund der kurzen, aber doch vorhandenen Erholungspausen zwar nicht ganz so intensiv wie die Hardcore-Bullenvariante aber definitiv alles andere als ein Kindergeburtstag.

Matthias´ Pläne wurden wenige Tagen vor dem Event noch gehörig durcheinander geworfen: Zunächst kam eine Krankmeldung aus dem Boot der Hauptkonkurrenten aus Neuwied, einen Tag später folgte der gesundheitsbedingte Rückzug von Jochen. Dies führte schlussendlich zur Teilfusion mit dem Neuwieder Rumpfteam und der Kultivierung des Rheinländers Stefan Verhoeven (Clever RC/Neuwieder RG) als drittes Schpätzle.

Nach der Anreise an Christi Himmelfahrt war der Freitag durch Bootspräparationsarbeiten, Proberudern und, bei den Buiten6 und Staffeln, Wechseltraining geprägt. Zudem waren logistische Dinge und Taktik zu klären – und nicht zuletzt das System mit viel, aber nicht belastendem Essen aufzufüllen. Abends ging es dann rudernd zum in 5 km Entfernung vom Ruderverein Leeuwarden liegenden Zentrum des Start- und Zielorts. Unter großem Jubel wurden die schlussendlich 93 antretenden Teams ab 20 Uhr in 15 Sekunden-Abständen auf die große Schleife geschickt. Sowohl „NüBüKaKi“ (Startnummer 61) als auch „los tres Schpätzles“ (Startnummer 70) gingen aufgrund ihrer Kategorienzugehörigkeiten spät ins Rennen und hatten somit reichlich Boote zum Überholen vor sich, was sie zu ihrer großen Freude innerhalb der ersten 4 bis 4,5 Stunden nach Dokkum und auf anderem Wege nach Leeuwarden zurück auch ausgiebig machten. Beide Teams hatten es allerdings mit starken Gegnern in ihren Rennen zu tun: NüBüKaKi mit dem Dauerkonkurrenten aus Daventria, die Schpätzles-Bullen mit dem überraschend starken Team der Rudervereinigung Delft. Letztere gingen sehr forsch an, übernahmen kurz nach dem Start die Führung in der Bullenklasse und gaben diese erst nach knapp 5 Stunden zum ersten Mal wieder ab.

Bis zum Morgengrauen gab es in für beide Teams mit Nürtinger Beteiligung ein hin und her um die Spitze der Klassenwertung. Erst auf der längeren Seestrecke über das Slotermeer konnten sie sich beide bei erschwerten Bedingungen infolge von Wind (Stärke 4) und Wellen (bis ½ Meter, z.T. mit Schaumkronen) und einsetzendem Niederschlag von den niederländischen Konkurrenten deutlicher absetzen und den Vorsprung auf der zweiten langen See- und Gegenwindpassage vor Stavoren entscheidend ausbauen. Die Hoffnung auf schnelle Zeiten musste zu diesem Zeitpunkt am entferntesten Punkt schon begraben werden. Die harten Bedingungen hatten nicht nur Kraft, sondern auch viel Zeit gekostet. Der ohnehin schon beschwerliche Weg in Richtung Norden/Nordwesten mit zahlreichen Abschnitten geringer Wassertiefe und Gewässerbreite sowie schmalen Brückenpassagen wurde auf weite Strecken durch Gegenwind und recht feuchte Luft garniert. Nachdem der Druck der direkten Gegner nicht mehr direkt zu spüren war, hielt in diesen schweren Zeiten die Aussicht auf eine sehr gute Gesamtplatzierung im vorderen Feld der Staffeln die Helden am Laufen. Die Strecke bis zum ostwärtsgerichteten Abbiegen in Harlingen, einhergehend mit dem Erreichen der finalen, Schubwind-geprägten Kilometer, zog sich trotzdem wie Kaugummi.

Nach den beschwerlichen Stunden über die großen Seen und entlang des Isselmeers wurden bei besseren Rahmenbedingungen – neben Rückenwind war es mittlerweile auch trocken und hellte etwas auf – und im Hinblick auf das nahende Ende der Quälerei nochmal alle Reserven mobilisiert. Für das Bullenteam rückte überraschenderweise sogar noch mal der Klassenrekord in greifbare Nähe, was zuletzt richtig Flügel verlieh. Es sollte aber nicht mehr sein, und so kamen Jörn, Stefan und Matthias in 20:19:10h 2 Minuten über der Rekordzeit ins Ziel – das war dann doch ärgerlich knapp, aber angesichts der harten Bedingungen eine mehr als bemerkenswerte Leistung. Die Hauptwidersacher von NüBüKaKi in der Sechser-Klasse aus Daventria hatte man zuletzt fast noch eingeholt. Von diesen ungefährdet waren Patrick und seine Kameraden fast eine halbe Stunde früher im Ziel mit einer formidablen Zeit von 19:50:25h. Im Gesamtklassement standen für die Bullen ein 17. Platz und für die leichten Bullen ein 10. Platz zu Buche – beides die besten Platzierungen, die je von Booten dieser Nicht-12er-Staffel-Klassen erreicht worden sind.

Der Gesamtsieg ging in diesem Jahr erstmals an eine für Aengwirden startende Renngemeinschaft um Bootsbauer Alex Wiersma. Mit 17:18h blieb sie lediglich 20 Minuten über dem Streckenrekord und ließ das als Mitfavoriten ins Rennen gestartete Team von Hunze/Aegir (17:56h) deutlich hinter sich. Keines der weiteren 12er Teams konnte bei den harten Bedingungen der diesjährigen Edition die 19-Stunden- Marke knacken! Von den 6 gestarteten Bullen-Teams kamen nur 3 an: Die Hauptkonkurrenten aus Delft schlussendlich mit 38 Minuten Rückstand auf das Schpätzles-Team. Die tapferen Kollegen aus Oldenburg scheiterten haarscharf an der 22h-Barriere, konnten aber als eines der ganz wenigen Teams ihre Vorjahreszeit (knapp) unterbieten.

Nach der Siegerehrung für beide Teams mit Nürtinger Beteiligung – man trug sich immerhin in 2 der insgesamt nur 5 Kategorien in die Siegerliste ein – labte man die geschundenen Körper im Versorgungszelt des Veranstalters. Das war es aber dann auch schon fast mit der post-Renn-Aktivität, denn so richtig alt wurde an diesem Abend keiner mehr und bereits vor Einbruch der Dunkelheit waren alle in ihren Zelten verschwunden und schliefen den Schlaf der Gerechten. Nach einem zünftigen Brunch (bei Sonnenschein und Windstille!) ging es dann zur Mittagszeit auf die lange Heimreise, auf der man viel Zeit zum Nachdenken hatte. Warum fährt man 700 km (einfach), um sich danach stundenlang in übelster Weise bei Wind und Wetter und gegen jede Vernunft zu schinden? Klare Antwort: Weil es sich danach einfach extrem gut anfühlt, die eigenen Grenzen ausgetestet und Teil eines großen Ganzen gewesen zu sein – und weil dieses Gefühl nicht nur für den Moment ist sondern ganz schön lange anhält!

Ein herzliches DANKE an das hervorragend funktionierende NüBüKaKi-Landdienst-Team Hannah Pelzing und Wolfgang Gosda sowie die Neuwieder Markus Müller, Michael Ehrle und Watz Laser für die Unterstützung vor, während und nach der Regatta!

Die Bullen von „los tres Schpätzles“ (v.l.): Stefan Verhoeven, Jörn Michel und Matthias Auer

Das Sechser-NüBüKaKi-Team mit Support (v.l.): Andreas Bültmann, Gerhard Hoffmann, Wolfgang Gosda, Benedikt Fuß, Hannah Pelzing, Helge Backhaus, Patrick Plagge und Wolfdietrich Jacobs

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